Bericht von Friedrich Heinrichs an die Delegation der Rheinischen Missionsgesellschaft vom 14. November 1892 – finanzielle Sorgen, marodes Kirchendach, lebensgefährlich krank und die Schwierigkeit Gottes Wort zu verbreiten
Zu Beginn klagt Friedrich Heinrichs über zu viel Arbeit. Es muss das Korn geerntet werden, Neues ist zu pflanzen. Auch müssen in der Lüderitzbucht die aus Deutschland eingetroffenen Zinkbleche abgeholt werden. bevor das Wetter zu heiß wird. In Gesprächen mit dem Kapitän und den Stammesältesten erklärt er, die Gemeinde müsse die Reparaturkosten für das Kirchendach und das Missionarswohnhaus tragen. Die Geldnot ist ein zentrales Thema für ihn.
„Bethanien, den 14. Nov. 1892 –
Im Herrn geliebte Väter!
In dem Protokoll von der Bersebaer Konferenz wurde bereits angedeutet, daß ich mit nächster Post beinen Bericht senden wolle. So darf ich es jetzt wohl auch nicht unterlassen, obwohl mir die nötige Zeit wegen der vielen Arbeiten, die mir augenblicklich obliegen, fehlt.
Gerade in den vergangenen Tagen habe ich einen neuen Söller (Anmerkung Riehn; Dachboden) gemacht und bin nun beschäftigt, um mein Korn hineinzutun und an dessen Stelle wieder andere Früchte zu säen und zu pflanzen. Dazu kommt auch, daß jetzt alles bereit gemacht werden muß, um das Zink aus der Bai zu holen, bevor es all zu warm wird, um dann eine solche Reise machen zu können.
Ich schrieb schon in meinem ersten Brief an Ihren Inspektor Dr. A. Schreiber, daß ich gleich nach meiner Einführung mit Bruder Fenchel eine Sitzung abhielt mit dem Kapitän und den Richtern von hier und ihnen in derselben die Notwendigkeit eines neuen Kirchendaches und ebenfalls eines neuen Daches fürs Wohnhaus vorhielt; ich erklärte ihnen ferner, daß die Gemeinde die Kosten tragen müsse, weil ich ohnehin, wie alle neu ankommenden Missionare, schon viele Unkosten habe. Und da die geehrte Gesellschaft mich hierher gesandt, so habe sie alle Reisekosten bezahlt und sei es ihr darum nicht anzutrauen, auch diese Unkosten noch zu tragen. Sie verstanden das auch und waren recht dankbar, daß die geehrte Gesellschaft sie nicht so lange haben ohne Gottes Wort gelassen, und wollen es ihr auch in keiner Weise zumuten, diese Reparatur Unkosten zu tragen, auch ihren Leraar (Anmerkung Riehn: Lehrer auf holländisch) nicht, die Gemeinde soll es bezahlen.
Nun die Leute machen oft große Versprechungen, die sie aber lange Weile haben wollen, bis endlich draus wird. Nach jener Sitzung sandte der Kapitän in all Richtungen von seinem Gebiet Boten, um zu kollektieren. Diese kamen aber nach einigen Wochen nur mit etlichen Ziegen, oder auch wohl mit einer Kuh oder mit einem Öchslein heim, so daß die Kollekte erst 20 Pfund beträgt und 80 Pfund muß die Gemeinde bezahlen. Ich frug letztlich die Richter, wie es die Gemeinde machen wolle mit den Außenständen, denn auch diesen Winter kommen die Summen nie zusammen! Darauf antworteten sie mir: ‚wenn es nicht anders geht, so müssen wir einige Spannochsen dran wagen.‘ Aber unser Herr wolle ihnen auch in diesem Stück helfen.
Das Zink für die beiden Dächer ist nun schon vor einigen Wochen in der Bai angekommen, so liegt es nur noch an uns, um es abzuholen. Hat aber das Kollektieren schon schon seine Schwierigkeiten, so scheinen dieselben beim Abholen des Zinks noch viel größer zu sein, denn der Kapitän mußte wegen eines sehr schlimmen Unbills zu Arzt in die Kolonie fahren; andere Wagen von Gemeindemitgliedern sind gebrochen, oder doch wenigstens nicht fähig zu einer Baireise. Die Händler, welche wir um einige Wagen baten, gaben uns zur Antwort: ‚daß ihre Frachten angekommen seien und sie dieselben auch holen müßten. So ist nur ein Bruder des Kapitäns, dre noch einen guten Wagen hat, welcher zu mir sagte: ‚er wolle doch wenigstens seine Schuldigkeit thun und zu Bai fahren. Darauf sagte ich zu ihm, daß ist gut von dir, und weil ich selber die Schwierigkeiten sehe, so wolle ich ihm meinen Wagen auch geben, so können wir doch wenigsten mit 2 Wagen zur Bai fahren, worüber wir sehr froh waren. – Auc sind die Bretter für den Fußboden im Studierzimmer in Bai angekommen und lassen dieselben nur auch holen. Gleichzeitig möchte ich der geehrten Gesellschaft hiermit meinen inigsten Dank aussprechen, daß sie mir die Auslagen für die Brette bewilligten.
Der eigentliche Grund aber, weshalb ich meinen Brief auf der Konferenz nicht ablieferte, war, daß ich in Berseba keine Zeit dazu fand, und vorher ließ mich meine Krankheit dazu nicht kommen. Es war gerade am Abend des 24. August als ich das Mauerwerk des Grabes unseres selig entschlafenen Bruder Bam vollendet hatte, bekam ich die heftigsten Kopfschmerzen. Als dieselben an anderen Morgennach einer schlaflosen Nacht geringer wurden, hielt ich eine gewöhnliche Morgenandacht und Schule. Schon nach einer Stunde Unterricht in der Schule erhielt ich durch den starken Zug, welcher durch die vielen gebrochenen Fensterscheiben herein strömt, mit einem Male solch einen Schüttelfrost, daß ich mich genötigt sah, die Schule zu verlassen, und so schnell wie möglich ins Bett zu gelangen. Von nun an nahmen die Kopfschmerzen, Schüttelfrost und Schlaflosigkeit stark zu. Erst nach 8 Tagen stellten sich wieder Schlaf und Appetit ein, und es ging mir allmählich wieder besser. Als die Krankheit ihren Höhepunkt erreicht hatte, war die Gemeinde sehr besorgt um das Leben ihres Missionars und beteten fleißig gemeinschaftlich, teils einzeln um baldige Gesundheit. Ich war in meiner Krankheit ungeduldig, da ich der Gemeinde sagte, daß sie Schuld an meiner Krankehti trage, weil sie nicht gesorgt habe, daß die zerbrochenen Fensterscheiben der Kirche in Ordnung gebracht haben. Aber da sagte der Kapitän, daß die Scheiben eingesetzt würden. Als ich nachher das Bett wieder verlassen konnte und aufstehen durfte bis zur Kirche zu gehen (am Anfang freilich der großen Schwäche wegen nur mit einem Stock) war ich sehr erfreut, nun wieder von allen Seiten, außer von oben, eine geschlossene Kirche zuhaben. Ich glaube sicher nicht zu hoch zu greifen, wenn ich sage: 80 Scheiben haben die guten Leute eingesetzt.
Damit waren sie aber noch keineswegs zufrieden, sondern sie baten mich nun auch dringend, doch ein anderes Wohnhaus zu bauen.. Ihre Gewohnheit und Sitte ist, daß sie, wenn Jemand im Hause gestorben ist, gleich nach der Beerdigung ihr Mattenhäuschen abbrechen und an anderer Stelle wieder aufzubauen, damit die Krankheit sich nicht übertrage. Ich hielt ihnen die Unmöglichkeit, ein neues Haus zu bauen, vor., und das Alte am anderer Stelle wieder zu errichten, das ginge wirklich nicht. Nach dieser Antwort baten Sie mich, dann doch wenigsten in einem anderen Zimmer zu schlafen, denn gerade da wo mein Bett stünde, habe auch dasjenige des lieben Bruders Bam gestanden, und das sei nach ihrer Meinung und Erfahrung unter keinen Umständen gut und ratsam. Um ihnen diese Bitte nicht auch abzuschlagen zog ich in ein anderer kleineres Zimmer und von der Zeit an waren sie froh, daß ich nicht mehr in dem großen Krankenzimmer schlafe und die dort noch vorhandenen Krankheitsstoffe einatme.
Ich glaube aber fast, daß es die den Wind freien Zugang gestattende Kirche nicht allein war, die mich auf das Krankenlager legte, sondern auch die furchtbare Kälte vom Studierzimmer. Oft habe ich dort trotz der übrigen dicken Kleider, am Vormittage noch im Überzieher gearbeitet und wenn ich am Abend meine Füße besah, waren sie blau und braun gefroren, so daß ich fast kein Gefühl mehr darin hatte. Solche Kälte geht auch an dem gesunden Menschen nicht vorbei, sondern macht sich auf irgendeine Weise bemerkbar, darum verließ ich auch bald darauf, womit auch die Influenza begonnen hate, das eben genannte Zimmer und arbeite bis heute nur noch im Wohnzimmer. Lange wird dies jedoch nicht mehr wären. Wenn die Bretter angekommen sind, dann werde ich mit dem Fußboden sofort beginnen.
Wenn ich meine Blicke nun noch auf die Gemeinde richte, so darf ich trotz meiner kurzen Arbeit sicherlich mit dankbaren Herzen aufwärts schauen zu unserem Herren Heiland, der sein seligmachendes Wort auch an diesem seinem Volk nicht ohne Segen und Freude gießt. Wie könnte das aber auch anders sein, da der gute Hirte in verflossener Zeit sowohl den noch irrenden, als auch den suchenden und gefundenen Schafen durch Hunger und Krankheit geführt hat. Sind das auch gerade keine keine milde und unseren natürlichen Menschen keine angenehmen Predigten, so wirken sie doch allezeit sehr heilsam. Gott fürchtende Seelen werden das stets als eine unendliche Liebe vom Herrn erkennen, dagegen die ihrem ewigen Herrn trotzenden Seelen werden sich noch eine Zeitlang zurückhalten, oder aber noch immer mehr vom Herrn und seinem Wort entfernen. Diese Wahrheit macht sich auch hier offenbar. Manche scheinen vom Lebensbrot satt zu sein. Hiermit meine ich besonders solche, die in der Zeit meines Hierseins nicht zur Kirche gekommen sind. Auf meine Fragen: Warum nicht? erhalte ich bisher stets die Antwort: Wir haben keine Lust und dabei liebten sie ihre Spiele zu sehr, die sie hier auf dem Platze doch nicht aufführen dürften. Woher soll da auch Hunger und Durst nach dem Herrn und seinem Worte kommen, wenn sich die Ärmsten an den noch zum Teil recht heidnischen Spielen, die fast stets mit Fleischessünden enden, weiden. Da muß der treue Herr seine unfassbare Geduld zeigen. Und wir schwachen Werkzeuge in seiner Hand wollen auch für uns von dieser großen Geduld erbitten.
Jene Klasse Menschen nur ans Licht zu stellen, würde ein sehr trauriges Bild geben und unser aller Herzen betrüben, denn der treue Herr durch seine Arbeit nicht auch wirklich allezeit von Herzen verlangende Seelen durch solche hätte, die er als eine Frucht seiner bitteren Schmerzen hat erraten können. Dies mögen folgende 2 kleine Beispiele beweisen.
Ein ganz alter Heide kam kurz nach meiner Einführung mit schwerem Herzen zu mir und erzählte mir, wie viel Unglück er in seinem Leben schon erfahren habe und das Allerschwerste sei für ihn, daß eines seiner Kindern jetzt in den furchtbaren Wellen des Konkiepflußes ertrunken sei. Er glaube, daß nur der Herr Jeus sein blutendes Herz zu stillen vermöge und darum begehre er auch von ganzem Herzen getauft zu werden. Er ist jetzt auch im Taufunterricht, und obwohl er im Lernen sehr schwach ist, so gibt mir seine Treue und Liebe zum Herrn doch die Freudigkeit, ihn im nächsten Jahre. so der Herr es will, zu taufen.
Das andere Beispiel führt uns eine stille und geduldige Maria Seele vor. Sie ist eine alte Frau und war noch vor kurzer Zeit ebenfalls eine Heidin. Über ihren Körperbau verwundern sich Alle, die sie sehen. Ihre Knie berühren ihren Mund, so daß sie eine hockende Stellung einnehmen muß. Große Altersschwäche beunruhigte ihr Herz und sie erinnere sich an ihr vergangenes sündliches Leben. Tag und Nach konnte sie nicht schlafen und schrie laut zum Herrn: Er möge sich ihrer erbarmen. Ich wurde in dieser ihrer Not zu ihr gerufen. Als ich zu ihr kam, bekannte sie mir unter vielen Tränen ihre Sünden. Ich versuchte ihr Trost aus Gottes Wort zuzurufen und versprach ihr, daß wenn sie dem Heidentum und dem Fürsten desselben von Herzen absagen wolle, sie dann von unserem Herrn Jesus aus Gnaden angenommen würde. Als ihre Schwäche aber noch fortwährend zunahm, so daß wir Alle ihr Ende sehr bald erwarteten, so machte ich sie nur noch mit dem Nötigsten aus der Bibel bekannt und taufte sie dann auf den Namen des dreieinigen Gottes. Wunderbar erschien es uns allen, daß sie nach der Taufe ruhiger und auch wieder etwas kräftiger wurde, so daß sie heute noch in unserer Mitte weilt, aber noch alle Tage den brennenden Wunsch in ihrem Herzen hat, doch recht bald erlöste zu sein von der gebrechlichen Hülle ihres Leibes und Jesum sehen zu können, von Angesicht zu Angesicht.
Solche und ähnliche Lichtbilder könnte ich noch mehr vorführen, die uns zeigen können seine Gnade, daß die Saat des göttlichen Wortes nicht vergeblich ausgestreut wird und daß trotz der noch starken Macht des Teufels, die Freudigkeit im Weinberge des Herren zu arbeiten, bekommen könnten. Mit der Bitte meiner auch ferner vor den Geschwistern zu gedenken, verbleibe ich Ihr getreuer Sendbote F. Heinrichs.“