Bericht von Friedrich Heinrichs an Inspektor Schreibe vom 15. Mai 1893 – Warten auf die Braut und Nahrungsmittelsorgen, Kritik an der Witwe des verstorbenen Vorgänger Bam und Geschäfte mit dem Kapitän, eine Idee, die Ländereien der Einheimischen vor den Weißen zu schützen
Die Nautilus in der Lüderitzbucht vor der Pinguininsel. Das Schiff mit dem die Braut von Friedrich Heinrichs eintreffen wird!
Bethanien, den 15. Mai 1893 – Lieber Herr Insp. Dr. A. Schreiber!
Ihren werten Brief vom Monat März habe ich dankend erhalten und freute mich schon Ihrem Schreiben gemäß in diesen Tagen meine Braut abholen zu können, da die Nautilus am 2. Mai Kapstadt verlassen sollte, um nach A. Pequena zu fahren. Leider habe ich bis jetzt vergeblich gewartet und weiß nun nicht wie ichs anfangen soll, mit dem haushalten meiner Lebensmittel. Gerne wollte ich warten um alles mit einem Male fertig zu machen. Meine Gemeinde hatte mir auch schon aus eigenem Antrieb 2 Wagen mit Ochsen angeboten, um also mit 3 Wagen zur Bai fahren zu können, damit der Wagen für meine Braut recht leicht sei. Allein seit einigen Wochen besitze ich schon keine Nahrungsmittel und lebe fast nur noch wie die Bethanier hierselbst von Milch. Auch möchte ich gerne beim Empfang meiner Güter gegenwärtig sein. Doch ich will versuchen, so lange ich diese Lebensweise fortsetzen kann. Es wäre ja viel besser und billiger, alljährlich all die Kapschen Sachen kommen zu lassen. Gerade heute erhielt ich von der Bai die Nachricht, daß die Nautilus wieder am 10. Juni in A. P. einlaufen soll, so ist also die Wartezeit auf nun 4 Wochen verlängert.
Nun zur Beantwortung Ihrer Fragen in dem letzten erhaltenen Briefen. Zunächst die Frage betreffend: ob Schwester Bam die Hälfte Summe des Geldes, was ihr selig entschlafener Mann für das Zinkdach ausgelegt habe, von der geehrten Gesellschaft verlangen könne? Ich muß gestehen, daß dies für mich schwer fällt rechtmäßig zu beantworten. Ich verwunderte mich freilich sehr über ihren ausgesprochenen Wunsch und hätte es sicherlich an ihrer Statt nicht gewagt. Der selig entschlafene Bruder würde es auch nie gethan haben; aber so viel ich gehört habe, sind in Geldsachen die beiden Naturen sehr verschieden gewesen. Darum sorgt Schwester Bam auch, daß das Haus hier vor ihrem Weggang leer wurde, um mehr Geld zu bekommen, als ich ihr geben konnte. Doch möchte ich freundlichst bitten dies nicht weiter verbreiten zu wollen.
Eine weitere Bitte in Ihrem Brief war, daß ich fleißig mit dem Studium der Nama-Sprache fortfahren möchte. Die vielen äußerlichen Arbeiten und Krankheiten, die ich bisher hatte, haben mich in diesem Stück freilich gehindert, doch war der Druck keineswegs so sehr groß. Denn bin ich unter den Leuten irgendwie beschäftigt, so versuche ich mit ihnen in ihrer Sprache, wenn auch noch in schwerer Weise, zu sprechen, welche darüber sehr erfreut sind. Mein Wunsch und stetes Bestreben ist: den Bethaniern in ihrer Sprache die frohe Botschaft zu verkündigen. Der treue barmherzige Gott und Heiland möge mir mein vorgesetztes Ziel in Gnaden versuchen lassen.
Zum Schluß sei noch erwähnt, daß ich vor 14 Tagen der Gemeinde meinen so lang gehegten Wunsch offenbarte, nämlich der Kapitän und seine Rathsleute möchten an die Kirche nach jeder Richtung ein vom Gott und Jesus aus freiem Willen Land abtreten, welches dann Gemeindegut genannt werden sollte. Dies gebe ihnen den Vorteil, daß die weißen Menschen. (die jetzt schon viele hier sind und noch stets mehr kommen werden und von ihnen 3 Personen schon im Besitze von leider sehr großem Länderstrecken sind,) die Gemeindemitglieder nicht verdrängen könnten durch Bauen und Ackern. Auch hätten wir dann keine so große Gefahren von den römischen Eindringlingen. Nebenbei gesagt hat nach dem Kontrakt, den der findige Kapitän mit unserem deutschen Kaiser gemacht hat, jeder Weiße das Recht sich nieder zu lassen wohin ihn beliebt, also auch auf der Station hierselbst. Auch wäre die Auslegung von meinem Plan (wovon ich Ihnen ja schon berichtet und sehnlichst auf Antwort warte) viel sicherer für uns als es in anderem Falle sein würde. Nachdem die findige Obrigkeit darüber eine Sitzung gehalten hatten, kamen sie zu mir und meldeten an, daß der vorgelegte ganze Plan einstimmig angenommen sei und gaben mir dann auch gleich die Grenzlinien an. Das Gebiet erstreckt sich nach jeder Richtung hin von der Kirche aus 1 Tagesreise und noch mehr. Ich werde in den nächsten Tagen versuchen, das Schriftstück fertig zu machen und nachdem ich ihn dem Rate vorgelesen habe, dann Herrn Hauptmann von Francois in Windhoek zu senden und wollen dann abwarten, ob der erwähnte kaiserliche Reichskommissar unseren Wunsch abzeichnen wird.
Wollen Sie doch bitte Ihrer lieben Frau Gemahlin in meinem Namen von Herzen danken für den freundlichen Gruß, den ich von ihr durch meine liebe Braut erhielt und sie wieder von Herzen von mir grüßen. In Liebe grüßt Sie ihr getreuer Schüler F. Heinrichs.“