Bericht Friedrich Heinrichs an die Deputation vom 18. Dezember 1895 –
Bethanien, den 16. Dezember 1895.
In dem Herrn geliebt Väter!
Wiederum ist ein Jahr fast dahin gewichen. Da möchte ich eine Weile ruhen und Rückschau halten auf das, was im allgemeinen geschehen ist. Da ich in diesem Jahre fortlaufend Berichte über den Stand unserer Gemeinde eingesandt habe, so darf ich wohl kurz alles zusammenfassen.
Wie in den vorigen Jahren, so habe ich auch in diesem Jahre erfreuliche wie betrübende Erfahrungen gemacht. Der Kirchenbesuch war fast das ganze Jahr hindurch gut. Mehr als im vorigen Jahre schien Hunger und Durst nach Gotteswort besonders unter dem älteren Geschlecht zu sein. Wie schon im vorigen Bericht erwähnt, wuchs die Gemeinde um 22 Personen aus den Heiden, die sich alle, ausgenommen 2 Personen, bis heute Gott sei Dank treu verhalten haben. Über die Rückkehr von Cornelius Frederiks und seiner Anhänger bin ich herzlich froh und hoffe, daß sie der Gemeinde treu bleiben werden. Ebenso sehe ich es als eine besondere Gnade des Herrn an, daß er uns ja in den Besitz der 600 Pfund für den Bau einer neuen Kirche hat gelangen lassen.
Mit diesen erfreulichen Erfahrungen hielten die betrübenden fast gleichen Schritt. In den 4 Jahren meines Hierseins habe ich noch nie so viele Personen ausschließen müssen wegen Übertretung des 6. Gebots als in diesem. Es waren 22 Seelen! Das ist leider nicht sehr erfreulich. Trotz der öffentlichen Kirchenstrafe geraten einzelne Personen immer wieder in die Stricke des Satans. Dieser Übelstand kann einen oft so weit bringen, daß man schließlich bei einzelnen Exkommunizierten thatsächlich nicht mehr weiß, ob man ihrem Bekenntnis zum neuen guten Wandel Glauben schenken darf oder nicht? Der treue Herr wolle sich der Verirrten und Schwachen in Gnaden erbarmen.
Im folgenden möchte ich einen Bericht liefern über meine Predigtreise nach Grootfontein. Dieselbe bot mir Gelegenheit, auch die nördlich gelegenen Ortschaften unserer Gemeine aufzusuchen.
Schon in den Tagen als die Bastards von den Doorns bei !Kubub und Guibis, eine Tagesreise südwestlich von hier, über unserer Nation nach Grootfontein zogen, baten mich dieselben ihrer nicht vergessen zu wollen und sie recht bald im Norden aufzusuchen. Zudem teilte mir unser Präses Bruder Hegner kurz danach mit, daß es guth sein würde in Kürze eine Reise nach Grootfontein zu machen. Weil nun die Hitze in den Monaten November bis Februar sehr groß ist, so zog ich es vor, schon im October die Reise anzutreten. Als wir daher am Mittwoch Nachmittag, den 16. October im Gotteshaus den Herrn für die bevorstehend Reise um Segen erfleht hatten, nahm ich mit meinem Ältesten, Saul Lambert, Schulmeister Nicodemus Davids und meinem Diener Josef Brinkmann von der Gemeinde Abschied. Nach 2 tägiger Reise erreichten wir !Ku-ias. Hier hielt ich am Sonntag, den 20. October, in dem Hause des dort wohnenden Mr. Mason zweimal Gottesdienst und während der übrigen Zeit suchte ich mit dem Ältesten die Nama Werften auf. Unter ihnen trafen wir eine sehr alte Frau, die durch unseren lieben Bruder Knudsen Gemeindemitglied geworden war. Leider hatte sie aber nur noch bis in der ersten Zeit des lieben Bruders Kreft am heiligen Abendmahl und an den Gottesdiensten teilgenommen. Das beunruhigte sie sehr und fanden sie tief betrübt. Klagend antwortete sie uns: nun möchte ich gerne fleißig am Wort und Sacrament teilnehmen, jedoch die große und stark zunehmende Körperschwäche erlaubt es nicht mehr. Um ihren Hals trug sie eine dünne Kette mit einem länglich verziertes Hölzchen und einem hölzernen Stift. Auf meine Frage, was das bedeuten solle, gab sie uns folgende Antwort: ‚In diesem Hölzchen sind 7 Löcher, woran ich die Wochentage abzähle. So oft ich am Morgen erwache nehme ich diesen hölzernen Stift und setze ihn ein Loch weiter. Auf diese Weise werde ich erstens an den Sonntag erinnert, wo ich des Herrn besonders gedenke und sodann an die Tage, an welchen ich mir bei Mrs. Mason eine liebliche Erquickung holen darf.‘ Kindlich und zugleich erfreulich, weil es uns zeigt, daß der ausgestreute Samen des göttlichen Wortes noch seine Keimkraft erhalten hat, obwohl bei ihr der Durst nach innigerer Gemeinschaft mit Christo gewichen war.
In kühler Morgenstunde zogen wir am 21. Oktober weiter dem Norden zu und errichten am Nachmittag desselben Tages in Birigi-!naus am Goa-igib wieder die Werften, die ungefähr 40 Personen (Namas) zählten.