Bericht Friedrich Heinrichs 13.12.1905

Bericht Friedrich Heinrichs an Inspektor Spiecker vom 13.12.1905

Bethanien, den 13. Dez. 05
Lieber Herr Inspektor!
Empfangen Sie unsern herzlichen Dank für Ihre Karte und Segenswünsche zur Geburt unsers Töchterleins. Der Herr wolle alle Segenswünsche, die uns gesandt wurden, wenn es Sein Wille also sein kann, in Gnaden erfüllen lassen. Gott Lob und Dank hat der Herr bis her in aller Krankheit treu geholfen, wie auch oft für die schon längere Zeit verbrauchten Lebensmitteln auf irgend einer Weise Ersatz verschaffte oder schenkte. Zwar mussten wir dieselben meistens auf dem Distrikts- amt hierselbst zu den jetzigen sehr teuren Storepreisen kaufen, doch war man froh etwas zu bekommen, besonders Fleisch, Milch, Zucker sc. Wir selbst trinken Kaffe und Thee schon längere Zeit ohne Zucker und Milch, aber für die Kinder ist das doch zu hart. Seit einigen Tagen holt nun das hiesige Kasino Gemüse aus unserm Garten und giebt uns dafür etwas Proviant. Ein Hauptmann von der neuen Besatzung schickt uns von Zeit zu Zeit etwas Fleisch ohne dass wir ihn darum baten. So hilft der Herr in dieser Zeit immer wieder.
Meinen letzten Bericht mit der vorletzten Post werden Sie nun wohl bald empfangen. Noch an demselben Abend des Tages, an welchem ich den Bericht von hier absandte, fand hier in der Nähe ein neuer Ueberfall statt. So ging es fast 14 Tage lang täglich fort, sodass man aus der Unruhe nicht heraus kam, weil sich die Rebellen auch mehr wie einmal hier auf den Platz in einzelnen Nächten zeigten trotz der Posten.
Erst seitdem die neue Besatzung hier ist, haben wir wieder etwas mehr Ruhe. Herr Rittmeister v. Treko sagte mir aber, dass sie sehr wünschen, dass auf irgend einer Weise sehr bald ein Friede zu stand kommen möchte, der den Truppen Ruhe schenkte bis die Bahn fertig sei, wo sie sich dann mit ihren Pferden besser verproviantieren könnten. Nach einer Zeit von etwa 6 Wochen würden die Mannschaften und Pferde gänzlich Feld- dienst unfähig sein und sie würden dann vielleicht gezwungen sein einen vorläufigen Frieden oder Waffenstillstand zu machen. (Dies sind aber nur private Mitteilungen). Die Pferde sehen schrecklich aus, weil der nötige Hafer für die importierten Tiere fehlen und die Soldaten sind zum grössten Teil Kriegsmüde und auch krank. Rittmeister v. Tresko zählt 4/5 von seiner Mannschaft krank. Zudem kommt die Rinderpest von !Kubub bis Lüderitzbucht. und die Reute wie auch der Rotz unter den hiesigen Pferden und die Typhus Krankheit unter den Soldaten. In Keetmanshoop soll diese böse Krankheit stark aufgetreten sein, hier sind nur einige Typhuskranke im hiesigen Lazarett, und zwar sind die Typhuskranken bisher immer nur von Aussen hieher gebracht worden. Herr Stabsarzt Dr. Gühne sagt: „ hier auf Bethanien selbst ist bis jetzt noch keiner typhuskrank geworden.“ Es ist ein Jammer, dass unser lieber Reichstag so sehr gezögert hat die Bewilligung für einen Bahnbau von Lüderitzbucht in’s Innere zu geben. Schon längst hätte sich derselbe bezahlt gemacht und die Kriegsführung würde hier eine bedeutend leichtere für unsre Truppen gewesen sein. „Erst müssen“, so sagen unsere Herrn Offiziere hier, wir mit unsern Mannschaften verhungern oder alle krank liegen, dann wird es dem Reichstag vielleicht einfallen eine Bahn bauen zu lassen.“ Wie man hört soll sie nun sicher gebaut werden.
Ich schrieb in meinem letzten Bericht, dass eine Anzahl der gefangenen Bethanier nach Lüderitzbucht gesandt werden sollte. Bisjetzt sind sie noch alle, Gott sei Dank, hier.
Obwohl von der Regierung gut für sie gesorgt wird, so tragen sie ihr Los dennoch schwer und zum Teil mit Unwillen. Am meisten klagen sie: „warum hat man uns alles fort genommen, nicht mal ein Stück Vieh ist uns gelassen! Wir sind doch stets auf dem Platz geblieben und waren keine Rebellen, warum müssen wir denn alles verlieren: Vieh, Wagen, Land sc?“
Am Totenbett taufte ich im Konzentrationslager einen alten Heiden, der früher der Armut halber fast nur im Felde wohnte und wie er stets sagte, keine Möglichkeit sehe den Tauf- unterricht zu besuchen. Hier wurde er nun krank, bat um Unterricht und Taufe, beides wurde ihm gewährt. Am Totenbett glaubte er den Abend nicht mehr lebend zu erreichen und als er nicht nachliess um die demütige Taufe zu bitten, wurde er nach einem Bekenntnis seiner Sünden und unsers christl. Glaubens im Namen Gottes getauft. Er ist aber nicht an dem Abend gestorben, sondern erst nach 6 Tagen und wie wir hoffen: selig.
Der 1. Adventsonntag war der Tag der Aufnahme von 3 erwachsenen Heiden durch die Taufe in die Gemeinde und 2 Konfirmanden. Diese 5 Personen mussten bei der ersten Aufnahme leider zurückbleiben. Es sind nun mehrere Personen, die wieder in den Unterricht eintreten möchten, aber unter den gegenwärtigen Um- ständen nicht können, weil in der Woche alle unter Aufsicht den Tag über arbeiten müssen und nach Sonnenuntergang ist ihr Lager geschlossen. Deshalb muss auch bis auf Weiteres die Schule hier ruhen. Die freien Bastardkinder am Platz waren aber durch die anhaltenden Unruhen so bange, dass sie vorzogen lieber daheim zu bleiben als in die Schule zu kommen. Wenn sehr viel Militär am Platze ist, dann wagen sich auch die meisten Erwachsenen nicht in die Kirche, weil sie fürchten, sie könnten umzingelt und überrumpelt werden. Ueberall Misstrauen!
Was wird wohl die geehrte Deputation zu dem Plan sagen, dass man hier eine Einrichtung einer Gewerbeschule für junge Eingeborenen wünscht? Getan muss etwas werden für die Eingeborenen, damit sie sich auch eine lohnende Arbeit verschaffen können und was ist da z. T. besser für sie als das, was die Schule lehren soll? Aber ich fürchte die Schwierigkeit wird wohl der Kostenpunkt wieder sein, denn ausser Bau- und andere Kosten müssten ja auch ein oder zwei weisse Gehülfen hier helfen, die das Schustern und Tischlern sc verstehen. Aber sollte die geehrte Deputation den Plan verwerfen, könnte dieselbe dann nicht zustimmen, dass wenigstens 2 Hektar Gartenland hier gekauft würden für Anpflanzung von Wein und allerlei Obstbäume, woraus dann späterhin wenigstens ein Erlös für die Rheinische- Missions-Gesellschaft erziehlt werden und in welcher Anlage ich dann doch einige Eingeborenen beschäftigen könnte, sodass dann wenigstens Unterricht im Ackerbau erteilt werden könnte?
Sehr gerne möchte ich, dass Herr Insp. Spiecker hieher kommen könnte um mit ihm über alle die Fragen noch näher beraten zu können, weil so etwas hier an Ort und Stelle doch weit besser wäre.
Zum Schluss noch die herzlichsten Segenswünsche zum neuen Jahre auch für Ihre werte Familie von meiner l. Frau und
Ihrem ergebenen
F. Heinrichs
P. S. Dürfte ich Sie l. Herr Inspektor wohl bitten, wenn es Ihnen möglich ist mir das Rezept von der Zubereitung der gepressten Feigen zu besorgen. Da wir hier viele Feigen haben, so möchte ich gerne Feigen pressen und sie in diesem Zustand doch so frisch und saftig erhalten wie man sie daheim in den Delikatessengeschäften kaufen kann. Alle meine bisherigen Bemühungen hierin waren vergeblich. Dennoch möchte ich gerne probieren um einen Erlös für die Mission zu erzielen. Es ist dies vielleicht eine unverschämte Bitte von mir, aber Sie wollen mir verzeihen, wenn ich gleich so zu Ihnen komme. FH.