Bericht 09.04.1894 von Friedrich Heinrichs

„Bethanien, den 9. April 1894
In dem Herrn geliebte Väter!
Der letzte Bericht vom 17. Januar dieses Jahres schloß mit sehr traurigen Thatsache des Bürgerkries, der entstand durch die Lostrennung des Ältesten Cornelius Frederiks von unserer Gemeinde. Von jener Zeit ab suchte Letzterer wiederholt neue Pläne, um den Angriff zu erneuern. Hierzu hat er sich jedoch nicht gewachsen und begnügte sich deshalb einstweilen damit nun verschiedene im Norden gelegene Viehschaften von unseren Gemeindemitgliedern wegzurauben, wodurch allerdings die betroffenen Eigentümer sehr verarmt worden sind. Cornelius Frederiks, der sich inzwischen öffentlich als Witkam erklärt hat, wartete nun auf Hülfe von seinem Schwiegervater Hendrik Witbooi und dachte selbst – als Letzterer im Monat Februar dieses Jahres mit der deutschen Schutztruppe in der Naunkluft bei Grotfontein Frieder machte resp. um denselben schriftlich bat und deshalb Zeit fand um nach Bethanien zukommen – daß sein Schwiegervater ihm beistehen wurde, um uns hier allesamt zu vernichten. In dieser Hoffnung blieb er bis kurz vor unserer Station. Als dann aber H. Witbooi seinem Schwiegersohn erklärte, daß er nicht gekommen sei, um Krieg zu führen, sondern um Frieden zu stiften zwischen ihm und dem Kapitän Paul Frederiks von hier, da wurde Cornelius Frederiks sehr mutlos. Als H. Witbooi nun merkte, daß hier sämtliche Schanzen besetzt waren, sandte er einen Boten an den hiesigen Kapitän mit der Bitte, ihn auf unserer Station einziehen zu lassen. da er ja komme um frieden zu stiften. Und noch ehe er zum Einziehen Erlaubnis erhalten hatte, zog er schon mit seinem ganzen Gefolge bewaffnet hier ein. Am folgenden Tage, den 1. März begannen die Friedensverhandlungen und obwohl im Beginn die beiden feindlichen Parteien keinen Frieden zu haben wünschten, so wurde derselbe wider unserem Erwarten nach einer 3 tägigen Beratung dennoch geschlossen. Leider kann aber keiner von hier dem Frieden volles Vertrauen schenken, und zwar aus folgenden Gründen: Nach dem Friedensschluß sagte H. Witbooi zur hiesigen Obrigkeit, sie möchte das Bündnis mit Seiner Majestät dem deutschen Kaiser brechen und sich ihm anschließen, um als dann mit vereinter Kraft den Deutschen entgegentreten, ja sie allzusammen aus unserem Land vertreiben. Mit einem einstimmigen „Nein“ antworteten ihm die Bethanier und setzten hinzu, daß sie fest halten werden an dem geschlossenen Bund und werden sobald sie Hülfe hätten, gegen ihn Krieg führen. Als H. Witbooi sah, daß hier nichts auszurichten war, so zog er noch am selben Tage, den 3. März wieder fort.
Am 24. März traf Herr Major von Francois mit einem Teil seiner Truppen hier ein und erzählte uns auch, daß H. Witbooi schriftlich Frieden erbeten habe, und er einstweilen gezwungen sei, von dem Weiterfechten abzusehen, jedoch mit dem Vornehmen die Aufrichtigkeit des Ersuchens um Frieden zu vorzutäuscehn. Schon sehr bald erfuhren wir die List, welche Hendrik gebraucht hatte, denn als am 4. April Herr Major Leutwein mit seinem Kommando hierselbst erschien, teilte er uns mit, daß H. Witbooi absolut nicht gewillt sei, Frieden zu schließen, sondern damals in der Naukluft sich nur aus der Falle retten wollte. Herr Major von Francois ist am 5. April von hier nach Deutschland abgereist, dagegen wird Herr Major Leutwein das Gefecht auf Naun aufnehmen. Hier auf unserer Station bleibt von nun an Herr Leutnant von Zieten mit einer Mannschaft von 15 Personen und somit sind wir hoffentlich aller Gefahr enthoben.
So weit von der politischen Lage unserer Gemeinde, nun möchte ich auch gerne noch etwas folgen lassen von der missionarischen Arbeit. Es will auch hier oft schwer werden und wäre der treue Herr nicht unser Trost und unsere Stärke, wo würde man oft verzagen der vielen Enttäuschungen wegen, die einem stets entgegen treten. Zunächst war dies der Fall bei den diesjährigen Konfirmanden, wovon ich nicht weniger als 8 Personen zum Teil noch kurz vor der Aufnahme, wegen ??sünde ausschließen mußte. Von den Gemeindemitgliedern werden der erwähnten Sünde wegen in den kommenden Tagen 4 Personen (in diesem Jahre die ersten) ausgeschlossen. Hierüber nachdenkend, muß ich oft an des Dichters Wort denken, worin es heißt:
Komm, o komm, getreuer Hirt,
daß die Nacht zum Tage werde!
Ach, wie manches Schäflein irrt
Fern von dir und deiner Herde!
Kleine Herde, zage nicht:
Dafür halt, was er verspricht.
Palmarum, den 18. März fand hier die Aufnahme statt. Es waren 20 Personen, welche durch die heilige Taufe der Gemeinde einverleibt und 24 Personen incl. 8 Personen Bastards, welche konfirmiert wurden, also ein Zuwachs von 44 Personen. Möchten sie sich als treue Nachfolger Jesu erweisen bis an ihr Lebensende, Am 1. Ostertag wurde das heilige Abendmahl ausgeteilt, woran im Ganzen sich gerade 200 Gemeindemitglieder beteiligten. Schul- und Kirchenbesuch waren im Großen und Ganzen gut und wolle der Herr geben, daß Hunger und Durst nach seinem Lebenswort stets zunehme, um dadurch dem bösen Feind mit voller Kraft entgegen treten zu können.
Mit herzlichen Gruß Ihr getreuer Sendbote Fr. Heinrichs.“