05.02.1904 Bericht Friedrich Heinrichs

Bericht Friedrich Heinrichs vom 05.02.1904 an Inspektor Spiecker – Der große Regen; Erleichterung über Warmbader Friedensschluß vom 27.01.1904; die Verbitterung der alten Witwe Maria Zwart, die Frau des verstorbenen Kapitäns Nicolaus Zwart von Grootfontein ist.

Bethanien, d. 5. Febr. 1904,
Lieber Herr Inspekt. Spiecker!
Empfangen Sie vielen Dank für Ihre Briefe vom 29. Octob. mit dem Antwortschreiben an die Conferenz im Hereroland und auch für den vom 31. Dez. beide kamen gestern hier an. Zur gleichen Zeit erhielten wir auch die Trauernachricht von dem Heimgang der lieben Frau Wetschky. Wir nehmen innigen Anteil an ihrem Verlust. Ihre Kinder werden sicher viel an der heimgegangenen Grossmutter verlieren. Wir denken auch oft mit Sorgen an unsr. l. Eltern in Bonn, die auch schon recht alt und oft recht schwach sind. Vater ist sogar schon 87 Jahre alt geworden. Ob wir sie beide in diesem Leben noch sehen werden. Im Jahre 1906 feiern sie die goldene Hochzeit und das gegenseitige Verlangen an dem Tage in Bonn zu sein, wird oft gross. Ob aber unser Wunsch erfüllt werden kann, weiss vorläufig nur der Herr.
Schon in Ihrem Brief vom 29. Okt. Fragen Sie nach dem Regen. In Dezember hatten wir den ersten Regen, im letzten Monat regnete es so viel, dass wir jetzt schon über 100 mm Regen haben. Auf den Aussenplätzen ist viel mehr Regen gefallen, so z. B. auf ≠Kujas fiel vor einigen Tagen innerhalb drei Stunden über 70 mm Regen. Das ganze Feld ist grün und Milch überall reichlich vorhanden, ja sogar auch für die Armen, die kein Vieh haben, hat der treue Herr gesorgt, indem er ihnen überall Feldfrüchte hat wachsen lassen. Ein wunderliches Land ist das Namaland: bald lässt es uns Hunger leiden und dann giebt es wieder in Überfluss. Die Wirkung davon auf das Gemüt und Herz der Menschen ist bei den Meisten auffallend gross. Fand man in der anhaltenden Dürre die Leute meist still und sehr oft auch etwas verzagt, hier und da sogar mürrisch, so sind sie nun meistens lustig und zufrieden. Es sind auch unter den Armen jetzt noch solche die undankbar sind, ja oft nicht einmal zufrieden mit der Gabe, die ihnen meine Frau gibt. Solche Leute leiden meistens auch sehr an Faulheit. Ueberall in der Welt sind aber solche, man muss ein solches Kreuz halt mit Geduld tragen. Jedenfalls sind wir sehr dankbar, dass Gott uns so viel Regen und so gutes Weidefeld geschenkt hat. Das Weidefeld von unserm Nationsplatz ist noch jung trotz des vielen Regens. Der Boden hier war zu trocken, deshalb braucht er viel Regen bis das auch hier alles nach Wunsch ist. Unsre Schulkinder sind deshalb auch fast alle ausgeflogen um sich draussen mal satt Milch zu trinken. Aber schon fangen die grösseren Werften an näher zur Nation zu ziehen. So hoffen wir auch wieder bald mehr Schulkinder zu haben. Vor einer Woche kehrte ich von einer achttägigen Predigtreise im Norden zurück. Jeden Tag hat es während der Zeit geregnet. Doch war ich bei stärkerem Regen jedes mal unter Dach. Das Feld gleicht draussen einer schönen deutschen Wiese mit ihrem frischen Grün und ihren unzähligen Blumen in allen möglichen Farben. Ein seltener Blick für Namaland! Viele Werften von Namas und Bastards habe ich besuchen können und überall Gottesdienst gehalten. Auf 2 grösseren englischen Farmen hielt ich auch Gottesdienst, wie ich das immer bisher getan habe und wofür die Meisten auch recht dankbar sind. Die Eingeborenen sagten hier und da: „wir sind recht hungerig nach Gotteswort sc.“ Das ist ja meist nur Redensart, aber etwas ist doch immer daran. In eine Namahütte wurde ich geführt, in der eine alte Frau krank lag. Als ich eintrat weinte die alte Frau wie ein kleines Kind und dankte Gott, dass Er seinen Diener zu ihr gesandt habe, und dass Er sie kürzlich befreit habe von einer sehr schrecklichen Anfechtungszeit, in welcher der Herr so weit … und die Pforte des Himmels ganz verschlossen gewesen sei, wo sie nichts als den Versucher gesehen habe und Tag und Nacht von ihm verfolgt gewesen sei. Endlich aber habe der treue Herr ihr auf ihr anhaltendes Schreien zu ihm wieder Licht gegeben und die Pforte des Himmels geöffnet indem der Herr ihr seine grosse Herrlichkeit gezeigt habe, die sie einst ererben solle. Sie wüsste dem Herrn für diese Gnade nicht genug zu danken. Ich hielt hier bei diesem Hause auch Gottesdienst, an welchem zwischen 80 und 90 Personen teilnahmen. Eine solche Zuhörerschar hatte ich fast auf allen Hauptwerften. Mehr Heiden als ich glaubte traf ich überall. Möchten diese doch auch endlich dem Zuge des Vaters zum Sohne nicht länger widerstehen können. Manche von ihnen wollen auch gerne aber so vielerlei Banden halten sie leider immer noch zurück. Ich war auch auf //Aruab bei den Bastards. Sie haben dort einen schönen Garten mit Melonen, Kürbis und Mais. Auch schon einen kleinen Stock Kleinvieh, das sie teilweise geschenkt bekommen haben von den übrigen Bastards meiner Gemeinde. Ich glaube, dass unsere Rheinische – Missionsgesellschaft keine Unterstützung zu geben braucht, deshalb ziehe ich vorläufig meine Bitte in meinen Conferenzbericht zurück. Wohl kommen noch andere frühere Grootfonteiner Bastards von Rehoboth bald nach //Aruab, auch die Familie von dem Aeltesten Marthinus Zwart , die auch ganz verarmt ist, aber ich hoffe, dass auch für diese gesorgt wird. Die Gemeinde kann ja als Dank für die Hilfe der geehrten Deputation in der Notzeit und jetzt für die herrliche Regenzeit auch helfen, wo es not thut. So gerne ich auch bei den Grootfonteiner Bastards bin, und sie nicht nur leiblich, sondern auch geistlich nach Kräften versorgen möchte, so erlebte ich diesmal dort doch etwas, was mich sehr betrübte. Nachdem ich von hier fort war, sandte unser Distriktchef auch eine Patrouille von 6 Mann ab in dieselbe Richtung, die ich machte, um zu erfahren, ob alles friedlich gestimmt sei und zugleich eine Volkszählung vorzunehmen und endlich: um zu sehen wie gross der Viehbestand sei und ob derselbe Fortschritte mache. Ich bin öfters mit der Patrouille zusammengetroffen und nicht nur gesehen, dass sie überall von den Eingeborenen gut aufgenommen wurde, sondern sie sich selbst über die Freundlichkeit der Leute verwunderte, sodass der Herr Distriktschef, der bisher sehr misstrauisch zu sein schien, mir selbst ein Lob über das Betragen der Eingeborenen aussprach und sich wunderte, wie bereitwillig die Namas und Bastards Wagen und Ochsen abgetreten habe (mietsweise), für den Transport für die Regierung. Die Patrouille traf ich auch auf //Aruab wieder. Schon während der Zählung wurde die alte Witwe Maria Zwart, die Frau des verstorbenen Kapitäns Nicolaus Zwart von Grootfontein, sehr ärgerlich, aber nicht so, dass es die Soldaten merkten und wurde dann ganz stille, nachdem ich mit ihr redete. Als aber die Patrouille ungefähr 100 Schritt vom Hause fort war, um weiter zu andern Bastards zu reiten, da fing die Alte fürchterlich an zu schimpfen und sagte unter anderem: „Was sucht ihr bei mir? Alles Vieh habt ihr mir fortgenommen, meinen Mann tot geschossen sc. sc.“
Die traurige Grootfonteiner Affaire von 1901 trat wieder vor ihre Augen. Es ist ja auch schmerzlich für solch eine Frau, die über 1000 Stück Kleinvieh, mehrere 100 Kühe und Ochsen und sehr viele Pferde mit ihrem im Kriege gefallenen Mann zusammen besass und heute ist sie ganz arm. Aber nachdem das Traurige nun einmal geschehen ist, müsste sie sich mehr beugen und erkennen, dass sie vielleicht auch nicht ganz schuldenfrei ist, vielleicht mit ihrer bösen Zunge an dem Grootfonteiner Aufstand von 1901 auch ihr Teil beigetragen habe. Aber wie es mir diesmal schien, wälzt sie die ganze Schuld von jenem traurigen Ereignis nur auf die deutsche Regierung, die nur ihren Viehbestand suchte und deshalb den Krieg mit den Grootfonteiner Bastards führte, wie sie behauptete. Glücklicherweise hat kein Soldat etwas von der Schimpferei gehört. Die übrigen Bastarde sind auch stiller und tragen ihre Armut mit Ergebenheit, darum wird der Herr ihren schwachen Anfang segnen, sodass sie bald wieder besser leben können. Mich betrübte dieser Zwischenfall sehr und musste unwillkürlich an Bruder Tabst denken, der früher so viel Geduld haben musste mit dieser alten Maria.
Heute kam die frohe Botschaft an, dass am 27. Januar auf Warmbad Frieden geschlossen sei. Das erfreute uns Alle: Weisse und Eingeborene. Zu gleicher Zeit hören wir auch, dass im Hererolande um Frieden gebeten wird.
Endlich möchte ich Ihnen noch antworten auf Ihre Frage von wegen der Weissen in meinem letzten Konfirmandenunterricht. Ich habe nur Frl. Raubenheimer konfirmiert. Die beiden andern Mädchen sind wegen Krankheit zurückgeblieben. Ein Mädchen ist nach Cape-Town gereist, um dort Heilung zu suchen. Das andere ist wieder zu ihren Eltern in !Kebeb zurück gereist. – Mit dem neuen Konfirmanden- und Taufunterricht werde ich erst in zwei oder drei Wochen beginnen können, da das Sammeln der Schüler von draussen stets viel Zeit in Anspruch nimmt.
Uns geht es ziemlich gut. Unsre Kinder waren augenkrank, doch sind sie seit einigen Tagen wieder gesund. Hoffentlich geht es Ihnen mit Familie auch gut und gebe Gott, dass Ihnen das alte Kopfleiden nicht so viel mehr plagen möchte.
Meine liebe Frau ist zu sehr zum Schreiben verhindert und lässt herzlich grüssen auch ihre Familie, desgleichen Ihr dankbarer Schüler F. Heinrichs
Mich freut es sehr, dass Sie oft mit Herrn Pastor Teutzhoff zusammenkommen. Nimmt das Missionsinteresse auch in Schwelen stets mehr zu? F. H.