Bericht Friedrich Heinrichs 29.04.1906

Bericht Friedrich Heinrichs an die Deputation vom 29.04.1906

Bethanien, Ende April 1906 (29.04.1904)
In dem Herrn geliebte Väter!
In meinem letzten Bericht von Februar dieses Jahres berichtete ich, dass Cornelius Fredriks mit seinem Restanhang wieder ausgerissen sei. Es wird Ihnen nun wohl schon längst aus den Zeitungen bekannt sein, dass Cornelius Fredriks sich mit seinen Leuten am 2. März südlich von hier auf /Hei-/Khoms gestellt hat. Ein Teil von seinem Anhang hatte sich schon einige Tage früher bei Berseba gestellt. Es blieb nun noch eine kleine Bande unter Führung des Bastards Hendrik Brand (der aber in gar keiner Beziehung mit den Grootfonteiner Bastards steht,) übrig, welcher sich stets mit Hottentotten und Hereros nördlich von ≠Kujas auf hielt und uns wohl das meiste Vieh hier vom Platz fortgeholt hat. Auf Befehl von Cornelius Fredriks, er schickte 2 oder 3 Boten zu Brand, kam diese kleine Bande nach !Kubub und stellte sich dort der wartenden Truppen unter Führung von Hauptmann Volkmann, dem sich auch Cornelius ergeben hatte. Unter seiner Führung wurden nun auch alle Kriegsgefangenen nach Omaruru im Hereroland gebracht. Auch die bei Berseba sich gestellten Bethanier sollen nach dort transportiert sein. So ist nun der hiesige Stamm sehr verkleinert worden. Es wäre mir sehr lieb, wenn die Bastards welche früher auf Grootfontein und darnach auf //Aruab wohnten, wenigstens wieder hier sich ansiedeln dürften, weil sie sich doch nur gezwungener Weise und auch nur im Anfang teilweise den Rebellen unter Führung von Cornelius Fredriks anschliessen mussten, weil ihnen Wagen, Ochsen und Pferde zum rechtzeitigen Flüchten von //Aruab fehlten. Bei erster Gelegenheit aber flohen sie und stellten sich in Berseba, von wo sie dann nach Keetmanshoop transportiert wurden. Die Familie Olivier mit Anhang, welche noch Pferde hatte, floh gleich im Anfang nach Rehoboth und hat auch noch ziemlich Vieh retten können. Der Weg nach hier war damals vom Feind zu unsicher. Von der Familie Olivier hörte ich jetzt durch ihre hier verheiratete Tochter, dass sie gerne hieher ziehen möchte.
Die in November vorigen Jahres gefangen genommenen freien Bethanier hier vom Platz, welche erst hier im Konzentrationslager gehalten wurden, dann aber wegen Verpflegungsschwierigkeiten auf die Aussenstationen verteilt wurden, sind nachdem sich Cornelius Fredriks mit seinen Leuten gestellt hatte, wieder frei gegeben worden. Seit ihrer Befreiung erhalten sie nun auch keine Verpflegung mehr und die Folge ist grosse Not in manchem Pontoc. Vom Vieh sind sie ja ganz entblösst; zum Bestellen von Gartenland fehlt ihnen die Nahrung und zudem wissen sie auch noch nicht wo sie ihr Gartenland angewiesen bekommen. Die wenigen jungen Männer, welche im Dienst der Etappe und Polizei sind, empfangen täglich Verpflegung, die sie dann mit ihren Geschwistern und andern verzehren und auf diese Weise keiner recht gesättigt wird. Der monatliche Gehalt soll, wie man hört, M. 8,00 betragen, eine recht kleine Summe in dieser teuren Zeit. Doch ist es ja gut, dass sie überhaupt noch Lohn erhalten. Bei den Ansiedlern hier empfängt der Eingeborene M. 15,00 bis 20,00 pro Monat und einzelne bessere Arbeiter auch mehr. Mehrere Frauen und erwachsene Mädchen verdienen durch ihre Wäscherei und Näharbeit. Aber nur selten können diese für sich und ihre Kinder oder Angehörigen Mehl und Reis kaufen. Das Distriktsamt hat oft selbst nur für seinen eigenen Bedarf, giebt aber an Weisse ab, wenn es übrig hat. Das Proviantamt verkauft überhaupt nichts, weder an Weisse noch an Eingeborene. Die Storen haben jetzt meistens nur Alkohol, Kleiderstoffe und andere leichte Sachen, wovon sie am meisten Geld verdienen. Als die freien Bethanier in ihrer Gefangenschaft von der Regierung verpflegt werden mussten, ging es ihnen besser als jetzt. Die kleinen Kinder bekommen durch Wassertragen und Töpfereinigen von den meist Kinderfreundlichen Soldaten immer soviel Ueberreste, sodass diese meistens ziemlich versorgt sind. Das schwerste Los haben die arbeitslosen erwachsenen Mädchen und Frauen, besonders die, welche ihre Väter oder Männer im Kriege oder Gefangenschaft verloren haben. Man sagt nun ja oft von diesen: „die sollen arbeiten, wenn sie das nicht wollen, dann mögen sie hungern!“ Faulenzer sind ja leider viele unter den Eingeborenen, aber das sind sie doch nicht alle. Der Unterkapitän Samuel Fredriks sagte mir schon oft: „wie gerne möchte ich Weizen säen, wenn ich nur Gartenland und Kost hätte.“ Wo ist Arbeit und wo die nötige Nahrung für den Arbeiter? So müsste man jetzt fragen. Mit hungrigem Magen lässt sich schlecht arbeiten. Wir haben 8 Eingeborene im Dienst, mehr können wir nicht beschäftigen, da es schon schwer fällt diese zu beköstigen. Wir selbst leiden schon oft Not, seitdem die Obst- und Gemüsezeit vorbei ist. Regen haben wir so wenig gehabt, dass die Weide fehlt und folgedessen die Milch mangelt. Oft gab es Wochen lang kein Fleisch und Tage, an denen meine Frau das frugalste Mahl fettlos zubereiten musste, weil weder Schmalz noch Butter käuflich zu erwerben war. Solch ein Leben reibt auf und macht krank. Wir fühlen uns auch Beide recht elend und nervös. Meine Frau bekommt öfters Ohnmachtsanfälle, ich habe auch etwa 14 Tage an fieberhaftem Darmkatarrh gelegen. Ich würde, wenn diese Krankheit nicht gekommen wäre, diesen Bericht schon früher abgesandt haben. Da die nötigen Ochsen fehlen für Frachtholen, so wird die äussere Notlage auch wohl nicht eher besser werden, bis die Bahn, an welcher fleissig gearbeitet wird, von der Bai aus fertig ist; denn auch die Regierungsochsen und Esel können nie so viel hieher bringen als verbraucht wird, weil sie zu schwach sind und meist noch mehr als die doppelte Zeit von Lüderitzbucht bis hier verbrauchen als es früher in besserer Zeit der Fall war. Zudem gehen immer noch viele Tiere ein. Ich kaufte in September vorigen Jahres 15 Ochsen von der Etappe, weil mir so viel zu einem Gespann fehlten und wollte dann Lebensmitteln aus der Bai holen. Es zeigte sich aber bald, dass die Tiere Ruhe nötig hatten. Bis heute haben sie uns nur 2 Frachten Brennholz im Felde geholt, sonst stets geruht und trotzdem sind von den 15 gekauften Ochsen schon 9 Stück tot und der 10te ist auch krank.
Den in November gefangen genommenen Bethaniern durfte ich sonntäglich im Kraal Gottesdienst halten. Das musste leider unterbleiben, als sie auf Aussenstationen verteilt waren. Doch nachdem ihnen die Freiheit wieder zurück gegeben wurde, sammelten sie sich zum grössten Teil wieder hier und besuchen nun die Gottesdienste im Gotteshause. Die Schule halte ich jetzt wieder und wird von etwa 30 Kindern besucht. Auch ist das Schulgebäude mir von der Etappe wieder abgegeben worden. Leider ist keine Schulbank mehr vorhanden und auch der Schultisch fehlt. Ich habe nur den leeren Raum zurück bekommen. Selbst die Schulfenster sind sehr mit genommen worden. Das gesamte empfangene Mietgeld für die Schule beträgt 1214,45 Mark. Ein Restbetrag von 24 Tagen steht noch aus, den ich in nächster Zeit bekommen soll. Diese Summe liegt noch hier und möchte dieselbe auch für die innere und äussere Wiederinstandsetzung der Schule behalten. Ich werde diesen Wunsch der Conferenz vorlegen. Wer aber die Arbeit machen soll, weiss ich noch nicht. Einem Fachmann von hier möchte ich die Arbeit nicht geben, weil er viel zu teuer ist und zudem würde ich auch jetzt Niemand bekommen. So muss das Schulgebäude erst so bleiben.
Der Konfirmandenunterricht muss leider noch fast ganz ausfallen, weil die Schüler oft bald hierhin und bald dorthin gesandt werden. Uebrigens sind es nur 4 Personen bis jetzt.
Militärgottesdienste finden noch wie früher alle 4 Wochen statt, ebenfalls an Festtagen. So hatten wir auch am 1. Ostertag deutschen Gottesdienst, bei welchem der Soldaten-Männerchor das schöne „Jehovah“ vortrug. Leider ist der Chor schon wieder aufgelöst, weil diese munteren Sänger mit noch andern Kameraden nach Keetmanshoop und Umgegend gerufen wurden; denn dort scheint es wieder recht ernst zu werden. Die hier verbliebenen Soldaten haben so viel zu tun, dass sie nicht Zeit finden für Gesangunterricht und jeder Soldat hat ja auch nicht Lust christliche Lieder zu singen. Von November vorigen Jahres ab halte ich jeden Sonntag im hiesigen Lazarett mit der gütigen Erlaubnis des Chefarztes eine kurze Bibelstunde, wobei ich auch je und dann mehr erweckliche Schriften von daheim verteile.
Unser Distriktschef, Herr Hauptmann Wasserfall, der mit seiner kranken Frau vor einigen Tagen eine Urlaubsreise angetreten hat, sagte mir, dass er das Gouvernement gebeten habe, dass es den treu gebliebenen Bethaniern ein Stück altes Gartenland hier auf dem Platz und die Farm Klein-/Aub, etwa 2 Stunden östlich von hier, zurück geben möchte und zwar die Farm als Viehposten. Hoffentlich wird das in Erfüllung gehen. Es wäre auch auch wohl recht und billig, wenn den Treugebliebenen das in November vorigen Jahres beschlagnahmte Vieh wieder sämtlich zurück gegeben würde und gut, wenn sie wenigstens ein Teil von dem vom Feind ihnen geraubtes Vieh ersetzt bekämen. Ob der Kapitän Paul Fredriks und die treu gebliebenen Bethanier, die doch immerhin noch gut 300 Köpfe mit den Kindern ausmachen, von den im November 1905 beschlagnahmten M. 2600,00 baar jährlich Einnahme etwas wieder ausgezahlt bekommen? M. 2000,00 wurden von der Colonial-Gesellschaft jährlich für den abgetretenen Küstenstrich Land bis diesseits !Kubub ausgezahlt. Von dieser Summe waren jährlich M. 800,00 für den eingeborenen Lehrer, für ganz verarmte Leute und für Gemeindegartengerätschaften wie auch für Schulgebäude und Kirche bestimmt. M. 600,00 wurden dem Kapitän Paul Fredriks noch jährlich von der Regierung ausgezahlt. Wegen den M. 800,00 für Schule und Kirche habe ich mich schriftlich an die Behörde gewandt, aber abschlägige Antwort erhalten. Also vorläufig habe ich gar keine Hoffnung, dass diese M. 800,00 wieder jährlich für den alten Zweck ausgezahlt werden. Ob Br. Fenchel noch etwas in dieser Angelegenheit erreichen wird, weiss ich nicht; wenn aber auch sein Bemühen erfolglos wird sein, dann werde ich auch diese Sache der Conferenz vorlegen.
Was die gewünschte Gewerbeschule betrifft, so schreibt Br. Fenchel, dass an eine Gerberei hier gar nicht zu denken sei, weil der Gerbstoff fehlt und die Polizei den Geruch einer solchen Arbeit um Platz nicht dulden werde. So scheint es damit wohl nichts zu geben. Wenn aber die Gerberei fehlt, dann wird eine Schusterei wohl zu teuer werden und deshalb auch fort fallen müssen, das ja sehr bedauernswert ist. Br. Fenchel hat überhaupt viele Bedenken betreffs der Gewerbeschule und wird Ihnen dieselben mitteilen. Er ist mehr für eine Ackerwirtschaft und Obstbaumanpflanzung. Das wäre ja auch schön und würde immerhin eine Anzahl lerebegierige Eingeborene beschäftigen; anderseits würde eine solche Anlage vielleicht uns eher dahin bringen, dass die Missionskosten für Bethanien hier aus den Erzeugnissen einer derartigen Anlage gelöst werden könnten. Aber aus einem kleinen Garten, denn einen grossen wird er von der Regierung nicht bekommen, wird ein Eingeborener mit Familie nicht gut leben können und viel Vieh wird er auch nicht halten können, weil die versprochene Farm ≠Kari-/aub (Klein-/Aub) allein niemals Vieh in grösseren Heerden zu ernähren vermag. Wie soll da geholfen werden? Ob nun Zimmerei, Tischlerei und Schmiederei auch hoffnungslos sein sollen, wie Br. Fenchel wahrscheinlich auch meint, muss wohl noch näher auf der Conferenz erwogen werden. Hier auf Bethanien muss z. B. die Schule Innen ganz neu ausgestattet werden; die beiden alten Türme, welche baufällig sind, müssen abgebrochen werden. Für diese Arbeit habe ich hier die shcon erwähnte Summe von über M. 1200,00 liegen. Ein hiesiger Fachmann würde vielleicht das Doppelte für die Arbeiten fordern. Wenn die Bahn fertig ist und die Transportkosten billiger sind, würde es ein Missionszimmermann weit billiger machen und er würde dann gleichzeitig einige Eingeborene in diesem Fach unterrichten können, also doppelt wäre der Nutzen. In der neuen Kirche sind leider die Termiten im Fussboden, sodass derselbe erneuert werden muss. Für diese Unkosten sind mir von Besuchern hierselbst M. 138,20 geschenkt worden, werde aber noch mehr bekommen. Also auch bei dieser Arbeit würde ein Zimmermann lehrend wirken können. An Arbeit würde es glaube ich, sicher nicht hier fehlen in Zukunft, weil andere Leute doch ohne Zweifel einer solchen Anstalt auch Arbeit verschaffen würden. Wenn ich aber später einmal einen Zimmermann bekommen sollte, der in Ackerwirtschaft auch etwas Bescheid wüsste, so möchte ich jetzt schon bitten, wenn es möglich ist, dass derselbe auch etwas Tischlerei (Tische, Stühle, Fenstern sc müssten gemacht werden), Mauerei, Schmiederei und Küferei erlernte. Küferei deshalb, weil man hier stets in Not ist mit dichten Fässern und oft noch sonst gute Fässe einfach fortgeworfen werden, weil sie nicht mehr halten. Auch diese Arbeit wäre gut für einen Eingeborenen. Möge der treue Gott und Vater diese ganze Gewerbeschulangelegenheit uns bis zur Conferenz recht klar legen und Seinen Willen und Seine Wege zeigen, die wir gehen und nicht gehen sollen, damit wir nicht eigenes Machwerk beginnen, das keinen Bestand haben kann.
16. Mai. Heute geht wieder Post nach Deutschland und da möchte ich noch Einiges dem obigen Bericht hinzufügen.
1.) Br. Fenchel habe ich eine Abschrift von diesem Bericht zu geschickt.
2.) Die Dürre macht sich stets schmerzlicher bemerkbar; bei den Eingeborenen weniger direkt, weil sie ausser den Bastards kein Gross- und Kleinvieh mehr haben. Bei den Weissen ist die Dürre ein besonders grosses Hindernis geworden, denn sie können mit ihren Wagen kaum von der Stelle sich bewegen. Auf der Polizei wurde mir gestern gesagt, dass die Etappe sich die Finger fast wund telegraphierte um Proviant zu bekommen, aber sie empfinge doch nichts.-
An Sara Fredriks mit Kindern und Suzanne Fredriks mit Kindern sind gestern zu Fuss nach Berseba gepilgert, weil sie hier nicht mehr bestehen können. Eine andere Familie will nach Richtersfeld bei Steinkopf fortziehen, weil sie kein Vieh hat, ihren früheren Garten noch nicht zurückbekommen konnte und schwere Arbeiten (es sind schwache Leute) nicht besorgen kann. Die Zukunft ist recht betrübend hierselbst, wenn nicht bald auf irgend eine Weise Hülfe geschaffen wird. Wenn die Antwort von Windhuk auf die Eingabe von Herrn Hauptm. Wasserfall, wie ich oben schon erwähnte, günstig ausfällt und die hiesigen Eingeborenen Gartenland hierselbst zurück bekommen, dann müssen Lebensmittel und Stacheldraht für Umzäunung des Gartenlandes angeschafft werden. Ich schrieb Br. Fenchel mir helfen zu wollen, dass ich für diesen Zweck die schon erwähnten beschlagnahmten M. 800,00 von der Regierung bekommen könnte.
Der neue stellvertretende Distriktschef teilte mir vorgestern mit, dass das Gouvernement bewilligt habe, dass an etwa 15 arbeitsunfähigen Personen (Eingeborenen) Lebensmitteln abgegeben werden sollen. So empfangen diese wöchentlich Proviant von dem Distriksamt.
Mit herzlichem Gruss ergebenst Ihr Sendbote
F. Heinrichs