Bericht Friedrich Heinrichs an Inspektor Spiecker vom 17.09.1906
Bethanien, 17. Sept. 1906
Lieber Herr Inspekt. Spiecker!
Ihre werten Zeilen vom 23. Aug. d. Jhs. mit dem Auszug aus dem stenographischen Protokoll des Reichstags 23. März 06 sc habe ich mit letzter Post empfangen und danke Ihnen herzlich für dieses wie auch für die früher empfangenen Schreiben. Es tut mir sehr leid, dass Sie l. Herr Inspektor von mir noch keinen direkten Brief hier in Afrika empfangen haben, wie Sie in Ihrem Schreiben vom 23. Aug. mitteilen. Das kann jedoch nicht stimmen, denn auf meinem ersten Brief, den ich an Br. Eich in Worcester sandte, habe ich von Ihnen Antwort, wo Sie mich bitten für ev. Einrichtung einer Gewerbeschule hierselbst schon ein Stück Land zu kaufen, wenn das möglich wäre, aber mit allem Anderen erst zu warten bis Sie selber hiergewesen seien und die Conferenz habe statt finden können. Aber ich habe auch noch, ausser den Mitteilungen an Sie durch Missionar Fenchel, einen zweiten Brief direkt an Sie nach ≠Karibib gesandt, der vielleicht verloren gegangen ist, da Sie denselben noch nicht erhalten hatten, als Sie mir zuletzt schrieben. Ich hätte öfters schreiben sollen, auch ausser den besonderen Mitteilungen durch Missionar Fenchel, es tut mir leid, dass ich es unterlassen habe. Doch gedenken wir Ihrer täglich vor dem Gnadenthron und bitten, dass der Herr Ihre Reise segnen wolle überall und Sie auch gesund hieher geleiten wolle. Schon mehr wie einmal, besonders in Ihrer schweren Krankheit im Norden haben Sie des Herrn besonderer Hülfe erfahren dürfen, so wird Er auch weiter gnädiglich helfen und auch Ihre l. Frau und Kinder daheim trösten und stärken und gnädiglich unter Seinen Fittigen behüten, wie auch Ihnen ein fröhliches Wiedersehen schenken. Die vielen Gebete von Missionsfreunden für Sie und Ihre Familie, die in allen Missionsgebieten und in der Heimat auf steigen, können doch nicht gut unerhört bleiben.
Die Gemeinde hier wird sich freuen, wenn Sie hieher kommen. Bethanien wird ja leicht liegen gelassen, weil es etwas abseits liegt, doch hoffen wir stark, dass es Ihnen möglich sein wird, den Abstecher hieher zu machen. Eine Kleinigkeit ist das zwar nicht, aber Sie werden sich später freuen auch Bethanien kennen gelernt zu haben. Bis zum 15. Oktober soll die Bahn bis /Aus fertig sein und dem öffentl. Verkehr übergeben werden. Da wäre es ja gar nicht so übel die leichte Strecke von hier bis /Aus (3 bis 4 Tage per Wagen) mit Wagen, oder per Karre, das wären 2 Tage zurück zu legen und von /Aus bis Lüderitzbucht mit der Bahn fahren. Auf diese Weise lernten Sie gleichzeitig /Aus und !Kubub kennen, wo mit der Zeit eine Filialgemeinde angelegt werden muss, weil dort ziemlich viel Eingeborene (Hottentotten und Hereros) wohnen.
Vorige Woche habe ich eine ganz alte Frau (blind und lahm) bei der Farm Bassingthwaighte, 20 Minuten von hier, nach längerem Unterricht getauft, die durch den Aufstand hieher gekommen ist. Im Taufunterricht habe ich 9 Personen und im Konfirmandenunterricht 10. In der Schule sind 55 Kinder.
Leider ist durch die anhaltende Dürre die äussere Not in der Gemeinde noch gestiegen. Vieh haben die Eingebor. nicht; Gartenland könnten sie wieder bestellen, dazu fehlt aber die Kost. Nur meine Diener haben allerlei gepflanzt und der frühere Unterkapitän, jetzt mein Gemeindegehülfe ist dabei einen Garten auszulegen. Ich habe noch M. 200,00 von dem früher empfangenen Hungergeld und wollte auf dem Distriktsamt (in den Stores ist nicht Proviant) 1 Sack Mehl kaufen für arme , kranke und solche Leute, die gerne einen Garten anlegen möchten, konnte aber leider nichts haben.
Den männlichen Schülern im Tauf- und Konfirm. wird auch manche Schwierigkeit bereitet. Trotzdem ich diesen Unterricht in der Mittagsstunde, wo die Arbeit ruht, halte, sehen es einige Weisse, besonders ein Kaufm. Tempel nicht gerne, wenn die Männer den Unterricht besuchen. So sind 2 Eingebor. vom Tempel entlassen, weil sie in der Nacht ihre Sprüche und Gebote lernten und nicht die Kegeln auf seiner Kegelbahn bis tief in die Nacht hinein, oft bis an den Morgen aufsetzen wollten. So sind diese nun wieder mit Familie brotlos geworden. Wie gut wäre es in solchen Fällen, wenn die Mission hier irgend eine lohnende Beschäftigung bieten könnte, damit solche Leute nicht herum zu lungern brauchten und dadurch der Welt stets mehr Spott bieten. Auf einer grösseren Station wie K-hoop ist stets Verdienst, hier aber nicht und wird auch wohl nie werden, weil die Bahn, wenn sie weiter gebaut wird, nicht über hier, sondern im Süden an Bethanien vorbei gebaut werden soll.
Von Unruhen merken wir hier Gott Lob und Dank nichts.- Uns geht es so ziemlich, beide nervös, besonders meine l. Frau, die ab und zu Ohnmachtsanfälle bekommt. Ich leide viel an Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit.
Mit herzlichen Gruss von meiner l. Frau und Ihr dankb. Schüler
F. Heinrichs