Bericht Friedrich Heinrichs 15.08.1905

 Bericht Friedrich Heinrichs an die Deputation vom 15.08.1905 – In der Schule streiken die Bastardskinder, sie wollen nicht zusammen mit den Eingeborenenkindern unterrichtet werden; Hendrik Witbooi bedroht weiterhin Bethanien; Vieh wird geraubt; sinkender Mut der Missionare.

Bethanien, den 15. August 1905
In dem Herrn geliebte Väter!
Zunächst möchte ich meinen herzlichsten Dank aussprechen für den Brief des Herrn Inspektor Spiecker vom 9.Juni dieses Jahres. Solche Zeilen des Trostes in dieser Zeit hier in S. W. Afrika tun wohl und beleben den oft sehr sinkenden Mut des Missionars in der jetzigen so besonders sehr schweren Missionarsarbeit, in welcher er nicht nur den Abfall der Aufständischen beklagen muss, sondern auch die Verachtung und das Misstrauen schwerer wie sonst zu tragen hat, welche die Welt (leider auch die Regierung) unsrer Arbeit in fast ganz Süd-West entgegen bringt. Doch die Sach’ ist dein Herr Jesu Christ, die Sach’ an der wir steh’n, das ist unser Trost und giebt uns Kraft immer wieder fest zu halten an der Hoffnung auf bessere Zeiten in unserer Namamission. Freilich sieht es gegenwärtig noch gar nicht danach aus als würden solche bessere Zeiten bald eintreten. Gerade in den letzten Wochen war es wieder recht unruhig hier, weil sich wieder einige Räuberbanden hier in der Nähe aufhielten und öfters Vieh fortholten. Seit etwa einer Woche soll auch Hendrik Witbooi mit seinen Leuten hier im Norden sitzen. Es wird daher viel Proviant hier angefahren um die Truppen, welche in letzten Tagen hier ankamen und weiter nach Chamis vorücken, mit Lebensmitteln zu versorgen. Möchte es unsern tapferen Streitern gelingen den Feind endlich zu fangen. Die Sehnsucht nach Ruhe und Frieden hier im Lande ist gross und wird noch grösser, wenn wir an das Transportwesen und an die herannahende warme Zeit gedenken. Schon jetzt fallen die Zugochsen wie die Fliegen, auch die Mauleseln sollen sehr auf dem Baiwege sterben und die Kamele fangen auch schon an zu fallen.
Wenn das jetzt in dieser kalten Zeit schon so traurig begonnen hat, was wird das in der heissen Zeit noch werden! Für teures das heisst für viel Geld und gute Worte bekommt man kaum Fleisch und die übrigen Lebensmittel. Es ist vielleicht zu schwarz gesehen, wenn wir hier im Lande in Bälde eine Hungersnot befürchten, denn der Bedarf an Lebensmitteln kann jetzt schon sehr schwer gedeckt werden. Auch die paar Eingeborenen, welche noch etwas Vieh besitzen, werden stets ärmer, da sie der schlechten Weideverhältnisse wegen wenig Zuwachs haben und ihr Vieh auf Aussenplätzen erholen zu lassen dürfen sie nicht, ist ja auch nicht ratsam, weil das ganze Gelände ausserhalb von hier unsicher ist. Das Gartenland für die Gemeinde liegt leider auch noch immer brach, weil die Männer fehlen, die dasselbe bestellen könnten. Es sind ja nur wenige Männer hier auf dem Platz und das sind ganz alte, die schwere Arbeiten nicht verrichten können; ausser ihnen noch einige junge Viehwächter. Alle andern junge Arbeiter sind um Dienst von weissen Ansiedlern und der Regierung.
Was der innere Stand der Eingeborenen betrifft, so kann ich leider nicht sagen, dass die äussere Not Viele von ihnen zu Gott unserm Vater hinführe, im Gegenteil sie scheinen durch die vielen Misserfolge unsrer Truppen wie auch durch die Verführung der Weissen zur Fleischessünde und Trunksucht trotziger zu werden. Nur der kleinere Teil der Eingeborenen, die hier am Platze wohnen, (ich rede hier und oben nur von den der deutschen Regierung Treugebliebenen) hält fest am Herrn unsern Heiland und zeigt wirkliches Verlangen nach dem Heil in Christo.
In der Schule streiken meistens die Bastardskinder. Mehrere von ihnen, welche hier am Platz wohnen, kommen überhaupt nicht zur Schule. Meine Frage: weshalb nicht? wurde meistens von den Eltern dahin beantwortet indem sie sagten: „wir schicken unsre Kinder nicht gerne mit den Hottentottenkinder zusammen in die Schule, wir möchten unsre Kinder besonders unterrichtet haben. Was soll ich nun machen? Zwei Schulen einrichten? Dazu fehlt die nötige Zeit. Doch ich werde sehen, was sich machen lässt.
21. August. Die Unruhen und Unsicherheit nehmen wieder sehr zund Trotz der Truppen; die in den letzten Tagen hierher kamen und in nördliche Richtung weiter zogen, wurden bei Zuurberg, etwa 4 Stunden von hier jetzt wieder über 30 Pferde und etwas 200 Ochsen geraubt. Ebenso sollen südlich wie auch östlich von hier und gar nicht weit von hier Vieh in diesen Tagen geraubt sein. Gerüchtweise ist hier bekannt, dass Hendrik Witbooi mit etwa 40 Mann in östliche Richtung wieder entschlüpft sei und ungefähr 500 Mann von ihm noch hier im Norden sich aufhalten sollen. Was wird man von ihnen in den nächsten Tagen wohl hören?
Heute habe ich die alte Elida Fredriks beerdigt. Nie hat dieses alte Gemeindeglied, das schon längere Zeit an Krebs litt, eigentlich wirklich über ihre schwere Krankheit geklagt, obwohl sie in letzter Zeit fast keine Nahrung mehr zu sich nehmen konnte. Sie freute sich aber über die Gewissheit ihrer Sündenvergebung und verlangte mit heisser Sehnsucht den Herrn ihren Erlöser zu schauen. Dieser Wunsch ist ihr früher erfüllt worden als sie und wir Alle erwartet hatten. Möchte der Herr aus unserer schwer geprüften Namamission noch manche Garbe zu Lob und Preis Seines heiligen Namens heim ins ewige Vaterland tragen können.
Mit herzlichem Gruss Ihr ergebener Sendbote
F. Heinrichs