Bericht Friedrich Heinrichs 12.05.1893

Bericht von Friedrich Heinrichs vom 12. Mai 1893 an die Deputation der RMG – Reparatur des Kirchendachs und fast tödlicher Unfall bei Renovierung des Wohnhauses, Finanzsorgen der Gemeinde, die Ankunft der Braut steht bevor

An die Rheinische Missionsgesellschaft in Barmen
Bethanien, den 12. Mai 1893
In dem Herrn geliebt Väter!
Da ich in dem letzten Briefe an Herrn Insp. Dr. A. Schreiber erwähnte, Ihnen mit dieser P0st einen kurzen Bericht zu senden, so darf ich es infolgedessen nicht unterlassen.
Mit dankerfülltem Herzen schaue ich auf die verflossene Zeit, wo der reiche und barmherzige Gott und Heiland so sichtlich beschützte und fühlbar segnete. Dies durften wir zunächst bei dem Abbrechen des alten und Aufstellen eines neuen Kirchendaches reichlich erfahren. Alles ging glücklich von statten, sodaß unser Gotteshaus hierselbst, wenn man in den nächsten Wochen auch seine Außenmauern noch erneuert haben wird, fast wieder als eine neue Kirche angesehen werden kann. Nur müßte der Bau nicht so klein sein, was besonders in den letzten paar Monaten in der Regenzeit ein jeder Besucher erkennen mußte, welcher die vielen Personen teils innen teils außen vor der Thüre stehen sah.
Ein anderer Umstand ist der, daß ich augenblicklich betteln und ermahnen muß, um die Gemeinde von ihrer Schuldenlast, welche sie noch beim Herrn Hermann hat, frei zu machen. Eine kleine Summe für das gekaufte Zink ist erledigt, dagegen muß das meiste noch gegeben werden. Und das Geben wollen Einzelne, die es noch könnten, nicht gerne und die meisten Gemeindemitglieder möchten gerne gaben, aber können nicht, weil sie selbst nichts besitzen.

Noch mehr als bei der Erstellung des neuen Kirchendaches durften wir den Schutz des Allmächtigen bei meinem Wohnhause erfahren. Als mann begann den inneren Raum der Kirche zu erneuern, nahm ich einen Teil der arbeitenden Manschaft und begann mit der selben dals alte Stroh von dem Dach über meinem Wohnhause abzunehmen. Des Staubes wegen, der durch die Decke ins Studierzimmer drang, ging ich vom Dach hinunter und holte aus dem genannten Raum Stühle und andere kleine Sachen heraus, um sie in ein anderes Zimmer zu bringen. Eben war ich mit dem Abräumen fertig und stand in Begriff wieder hinauf zu gehen, als die vordere Giebelwand umstürzte und diese mit dem Dach auf die Decke fiel. Letzteres brach trotz der der schönen langen und und starken Balken entzwei und der ganze Plunder lag im Eßzimmer. Wäre der Einsturz einen Augenblick früher geschehen, so hätte ich wahrscheinlich unter dem großen Trümmerhaufen gelegen. In demselben Moment stand es auch schon vor meinem Hause voll von Menschen, die zum Teil durch Fenster und Thüre brechen wollten, um mir zu helfen. Um die Thüre nicht schädigen zu lassen, lief ich hinzu und öffnete sie. Im selbigen Augenblick stürzten die Menschen mit
Macht herein und griffen krampfhaft meine Hände, indem sie ausriefen: „Dem Herrn sei Dank für seinen gnädigen Schutz!“ Obwohl ich auf der einen Seite sehr betrübt war über das geschehene Unglück, so mußte ich auf der anderen Seite mit der Gemeinde dem Hüter, der nicht schläft noch schlummert von Herzen danken, zumal er auch alle Arbeiter auf dem Dach vor einem Unfall bewahrt hatte. Alle herzu geeilten Menschen, Groß und Klein, zeigten ihre innige Theilnahme nun auch mit der Tat, indem sie gleich Hand anlegten, um den Trümmerhaufen zu beseitigen. Was nun machen? Das war meine größte Sorge, denn ich hatte weder einen Balken, noch neues Holz für den Dachstuhl bestellt und alles war ja entzwei. Mein Vorhaben war, das alte Gestellt, weil es noch gut zu sein schien, stehen zu lassen und das Zink nur einfach auf die alten Hölzer zu schrauben. Da es aber Regenzeit war und der Regen fast täglich vom Himme herab strömte, so durfte ich das Haus auch nicht lange offen stehen lassen, wenn der Schaden nicht noch größer werden sollte. Die alten Bethanier rieten mir eine Zwischenmauer zu errichten, dann könne man die Balken, wenn sie wieder anaeinader gesetzt würden, noch gebrauchen. So wurden gleich Ziegelsteine an der Sonne getrocknet und dann eine solche Mauer errichtet. Für ein Spitzdach wurde ein schräges Dach aufgestellt und somit konnten auch die Hölzer des alten Daches wieder verwendet werden. So hatte der treue Herr meine anfänglichen Sorgen wieder zu schanden gemacht und zeigte mir aufs Neue in allen Stücken auf ihn zu schauen!

Wenn ich zu Beginn dieses Berichts des Herrn reichen Segen pries, so bedarf ich das insonderheit thun für die letzten Wochen, als ich die ersten Konfirmanden und Täuflinge am 3. Mai prüfen und am 7. Mai konfirmieren und taufen durfte. Wie aber oft Freude und Schmerz gemischt sind, so war es auch dieser meiner Freude. Als ich nämlich vor einem Jahr den Konfirmanden und den Taufunterricht begann, waren es 55 Personen, dagegen aufnehmen konnte ich nur 48 Glieder: 31 Getaufte und 17 Heiden. Einen Getauften mußte ich schon gleich im Anfang des Unterrichtes wegen Diebstahls entlassen und 3 ebenfalls getaufte Personen mußten noch kurz vor der Prüfung wegen Hurerei ausgeschlossen werden. Die noch bleibenden 3 Personen wurden wegen zu großer Unwissenheit nach 1 Jahr zurückgesetzt. Diejenigen welche nun Gemeindemitglieder geweorden sind, wolle der treue Herr stärken im lebendigen Glauben und sie ausrüsten mit Kraft aus der Höhe, auf daß sie treu bleiben und die Krone des ewigen Lebens erwerben möchten.

Aber wir durften in diesen Tagen Nachricht erhalten von der Ankunft meiner lieben Braut, so hatte ich die Austeilung des heiligen Abendmahles auch schon auf gestern Himmelfahrt, den 11. Mai festgelegt. So feierten wir also gestern das heilige Mahl des Herrn, an welchem sich 207 Personen beteiligten. Wir durften auch da fühlen und schmecken wie freundlich der Herr ist.

Was nun die Ankunft meinner Braut betrifft, so muß ich offen gestehen, daß ich gerade in den letzten Tagen sehr besorgt um sie bin, weil ich mit der letzten Post weder von ihr selbst, noch von Anderen ein Wörtlein vernommen habe. Ich hoffe aber zum Herrn, der shcon oft eine bange Sorge in meinem Leben zu Schanden machte, daß Er auch diese nun zu nichte machen wird.

Meine Gesundheit betreffend, war ich vor 3 Wochen wieder einige Tage stark erkältet, fühle mich aber jetzt wieder Gott Lob und Dank frisch und gesund.

In Liebe grüßend, Ihr getreuer Sendbote Fr. Heinrichs.“