Bericht Friedrich Heinrichs 08.11.1905

Bericht Friedrich Heinrichs an die Deputation vom 08.11.1905 – Cornelius Fredriks mit seinen Leuten vereint mit Hereros und Buschleuten macht die Umgebung von Bethanien unsicher; die Eingeborenen werden, soweit sie nicht im Dienst von Weissen stehen, unter ständiger Bewachung im Konzentrationslager gesammelt; die Eingeborenen sind durch das lange Hinziehen des Krieges, die vielen Verluste der Truppen und das Viehrauben der Rebellen übermütig geworden; sie glauben, dass Gott mit den Rebellen sei und dass sie schliesslich dennoch siegen werden; F.H. schlägt vor, eine Berufsschule für junge Eingeborene einzurichten; ein Teil der Gefangenen im Konzentrationslager werden nach Lüderitzbucht verlegt.

8. November 1905
In dem Herrn geliebte Väter!
Wenn keine Störung eintritt, dann will ich mit dieser Post in dieser Woche wieder einen Bericht an Sie absenden. Das sollte schon mit der vorigen Post geschehen, konnte aber nicht sein des Brechdurchfalls wegen, der schon längere Zeit hier in der Gemeinde herrscht und an der wir mit unsern Kindern auch litten und noch leiden.
In den letzten Wochen hat Cornelius Fredriks, Abraham Kovike mit ihren Leuten vereint mit Hereros und Buschleuten die hiesige Umgegend wieder unsicher gemacht. Fast täglich wird bald bei diesem, bald bei jenem Farmer, die meistens beim Truppenposten auf /Umub, 1 ½ Stunde nördlich von hier, versammelt sind, geraubt. Trotzdem man die Banden hart verfolgte, konnten sie bis heute noch nicht gefangen werden. Nicht selten hält sich eine kleinere Bande in irgend einem Versteck unsichtbar bis eine grössere Truppenabteilung vorbei ist um dann hinter her wieder Vieh zu rauben oder aber eine kleinere Patrouille aus dem Hinterhalt abzuschiessen um Munition zu bekommen. Das Gelände ist hier aber so sehr ausgedehnt gebirgig und zerklüftet, dass es unsre Truppen nicht so leicht mit ihren schwachen Pferden und Ochsen schaffen können, was sie schaffen sollen.
Vor 2 Wochen war die Entschädigungskommission hier. Ansiedler und auch ich haben zunächst 1/7 von dem Entschädigungsgeld erhalten. Für die Schul- und Gesellschaftsheerde habe ich nichts erhalten können, weil die Kommission sagte: „für Gesellschaften können wir erst keine Entschädigung auszahlen. Obwohl es nun ja mit der Missionsgesellschaft wie der Schule etwas anders steht als mit den gewöhnlichen Gesellschaften hier im Lande, so muss dazu doch erst eine besondere Genehmigung von Berlin aus erteilt werden.“ Ob das nun aber nicht demnach eine abschlägige Antwort sein soll, weiss ich nicht, ich habe Ihnen aber davon Mitteilung machen wollen, damit wenn Sie noch besondere Mühe zur Erlangung der Entschädigung machen wollen, sich Ihnen dazu vielleicht jetzt noch Gelegenheit und Zeit bieten dürfte. Missionar Fenchel habe ich von dem Obigen auch Mitteilung gemacht und will nun abwarten ob es ihm dortselbst möglich sein wird das Entschädigungsgeld für das geraubte Vieh der Rheinischen-Missions-Gesellschaft und der hiesigen Schule zu erlangen. Eine Liste des geraubten Viehs folgt anbei. In Summa für 4730 M.
8. November. Leider wurde ich bis Abgang der letzten Post nicht fertig mit diesem Bericht. Das, was ich heute den obigen Zeilen noch hinzu zu fügen habe, ist leider sehr traurig. Gestern wurden nämlich die eingeborenen Werften, die bis jetzt zwar an einem bestimmten Teil dieses Platzes stehen mussten, aber den Bewohnern derselben doch noch immer Freiheit gelassen wurde sich zu bewegen wo und wann sie wollten auf dem Platze. Gestern nun wurden sämtliche Werften, ausser denen der eingeborenen Polizisten und der Arbeiter bei Weissen aufgelöst und alle bisher freie Eingeborenen im Konzentrationslager eingeschlossen, wo sie nun Tag und Nacht bewacht werden. Die Männer müssen unter Aufsicht Backsteine p. p. machen, die Frauen den Platz reinigen und sonstige Arbeiten verrichten, alle ohne Unterschied der Person. Auch die Arbeiter bei Weissen haben ihre Freiheit in sofern eingebüsst als sie nicht ohne Erlaubnis ihrer Herrn hingehen konnen wohin sie wollen, wie sie auch nicht mehr arbeiten können, wann es ihnen beliebt. Wer nicht arbeiten will oder Ungehorsam zeigt, wird ohne Barmherzigkeit auf der Polizeistation mit einer Prügelstrafe gestraft oder eingesperrt.
Sie werden fragen: was ist denn die Ursache zu dieser Strenge? Vorgestern wurde hier bei Wasserfall, 1 ½ Stunde östlich von hier, ein Regierungswagen, der hauptsächlich mit Hafer beladen war, überfallen und verbrannt, wobei 2 weisse Soldaten fielen und 2 sich hieher noch zurückziehen konnten. Dieser Wagen wurde von 3 Bethaniern von hier geführt. Diese 3 Männer sind aber bis heute noch nicht hieher zurück gekehrt. Man nimmt an, dass sie zum Feind übergegangen sind. Einer von ihnen ist der Bruder des hiesigen Kapitäns. Ferner hatten 2 Frauen schon einige Tage vor dem Abfahren des Wagens den hiesigen Kommandanten gefragt ob sie bis /Kara-Phois mitfahren dürften um von dort aus einen Besuch nach Berseba zu machen. Die Erlaubnis empfingen sie. Aber im letzten Augenblick als der Wagen abfahren sollte, wollten sie nicht mitfahren und sagten, es sei ihnen zu lange mit zu fahren. Daraus schliesst man, dass sie von dem Vorhaben des Feindes gewusst haben. Deshalb nimmt man auch wohl mit Recht an, dass die meisten hiesigen bisher treu gebliebenen Bethanier mit dem Feind draussen in letzter Zeit überhaupt Verbindungen gehabt haben. Um nun eine scharfe Kontrolle führen zu können und zugleich die Untreue zu strafen, hat man die hiesigen Eingeborenen, so weit sie nicht im Dienst von Weissen stehen, nun mehr unter ständige Wache im Konzentrationslager gesammelt. Schade ist es, dass die Unschuldigen mit den Schuldigen leiden müssen, aber ich muss sagen: es ist gut, dass es so gemacht ist. Denn die meisten Eingeborenen wurden in den letzten Wochen so frech, hochmütig und faul, dass es fast nicht mehr zu ertragen war. Fast jeden Abend wurden in den letzten Wochen bis tief in die Nacht hinein Freudentänze von den Eingeborenen hier im Platze aufgeführt. Es sollen zwar fast nur Heiden getanzt haben, aber der Kapitän hat das wüste Treiben doch immerhin auf den Werften zugelassen. Alles Mahnen, Bitten und Predigen meinerseits gegen die nächtlichen Tänze half nichts. Es ist kein Zweifel, dass die Eingeborenen durch das lange Hinziehen des Krieges, die vielen Verluste unserer Truppen und das viele Viehrauben der Rebellen so übermütig geworden sind. Sie glauben fast, dass Gott mit den Rebellen sei und dass sie schliesslich dennoch singen werden und ihr Land, was ihnen jetzt genommen ist, wieder bekommen werden. Denn auf allen Besitz des hiesigen Stammes hat die Regierung Beschlag gelegt.
Die Vertreter der Regierung hier haben den Wunsch, dass die Mission hier eine kleine Industrieschule einrichten möchte, wo junge Eingeborene Schusterei, etwas Tischlerei, Zimmerei und Ackerbau lernen, für Mädchen vielleicht neben bei eine Näherei und Wäscherei einzurichten. Was denkt die geehrte Deputation dazu? Ich halte diesen Plan für sehr gut. Bitte um baldige Antwort, damit nicht alles gute Gartenland der Eingeborenen in die Hände der Weissen fällt. In der letzten Woche wurden 4 Bauplätze von der Regierung an einen Weissen Kaufmann hier verkauft. Ich habe hier soweit dafür gesorgt, dass ein Stück Gartenland, etwa 2 Hektaren gross, grenzt an den Missionsgarten hier, das mir besonders gut gefällt, weil es ziemlich fruchtbar ist, bis auf Weiteres unveräussert bleibt, bis ich von Ihnen näheren Bescheid erhalten habe.
Möchte der Herr alles zum Besten lenken und uns bald Frieden schenken.
Mit herzlichem Gruss Ihr ergebener Sendbote F. Heinrichs
P.S. Um 5 Uhr heute geht die Post von hier. Noch eine kurze Mitteilung. Heute Morgen sind an der Ostseite dieses Platzes etwa 8 Minuten von meinem Hause im Flussbett ein Trupp feindliche Hottentotten gesehen worden. Eine Patrouille ist hinter her. Wegen dieser Frechheit will man einen Teil der Gefangenen im Konzentrationslager hier nach Lüderitzbucht senden, hauptsächlich Angehörige von den Rebellen. Das tut mir leid. Was wird uns der Krieg noch alles Traurige bringen, wenn nicht bald Friede wird! Bethanien und Umgegend ist in den letzten Monaten und Wochen besonders vom Feind heimgesucht worden. In diesen Tagen habe ich auch mein letztes Pferd durch die Räuber verloren.
Verzeichnis vom geraubten Vieh
der Rh.-Missioinsgesellschaft:
9 Rinder a) 150.00 = 1350.00
78 Kleinvieh a) 15.00 = 1130.00
Der Schule hierselbst:
6 Rinder a) 150.00 = 900.00
90 Kleinvieh a) 15.00 = 1350.00
S.S.4730.00
F. Heinrichs