Bericht Friedrich Heinrichs an die Deputation vom 04.04.1905 – F.H. beklagt sich über das unbussfertige und verblendete Volk; die Familie von Cornelius Frederik muss Bethanien verlassen und wird zur Haifischinsel gebracht; die Rebellen rauben das sämtliche Vieh der Missionsstation; Cornelius Frederiks tötet mit seinen Anhängern 6 Soldaten; Missionar Hegner kehrt in die Heimat zurück.

Bethanien, den 4. April 1905
In dem Herrn geliebte Väter!
Im Monat Januar sandte sandte ich meinen letzten Bericht und hoffe, dass derselbe unterdessen in Ihren Besitz gelangt ist. Die Zeit bis jetzt ist hier ausser einigen kleinen Unruhestörungen vom Feind ziemlich ruhig abgelaufen. Am 12. Februar dieses Jahres habe ich 6 Personen konfirmieren und 6 Personen (erwachsene) taufen können. Diese 12 Personen brachten am Nachmittage bei der Nachfeier in unserm Hause für die Mission ein Dankopfer von M. 66.00 in baar. Möchten sie alle auch ihre Herzen dem Herrn stets mehr zum Dankopfer darbringen. Ich habe damals aber nur ein Teil von den Konfirmanden und Taufbewerbern in die Gemeinde aufnehmen können. Die übrigen Schüler sind meist als Boten verwandt worden und stehen auch noch weiter meist im Dienst der Regierung, weshalb sie damals leider zurück stehen mussten. Wann sie unter den gegenwärtigen Umständen aufgenommen werden können, ist bis jetzt noch unbestimmt, weil sie meist fort sind und deshalb auch der Unterricht nur selten gehalten werden kann.
Die Gottesdienste für Weisse und Eingeborene konnten an den Sonntagen wie an den Mittwochtagen regelmässig gehalten werden. An der letzten Abendmahlsfeier am Sonntag Oculi, dem 26. März nahmen 107 eingeborene Personen von hier teil. Einige Gemeindeglieder von draussen entschuldigten sich brieflich an der Feier nicht teil nehmen zu können, zum Teil deshalb nicht, weil der eine oder andere von den Ihrigen bei den Rebellen sei, ihre Familie zersplittert und ihre Herzen zu traurig seien, und zum Teil auch deswegen, weil sie ihr Vieh nicht allein lassen könnten.
Die Geschwister Hegner und die Schwester Holzapfel mit ihren Kindern wohnten an jenem Sonntag Oculi bei uns, worüber wir uns sehr freuten und am 28. März traten sie ihre Weiterreise wieder an. Der Herr wolle sie zu Land und zu Wasser behüten.
Sehr leid tut es uns, dass uns unser lieber Präses gerade in dieser schweren Zeit verlassen muss, weil alte erfahrene und ruhige Brüder uns gerade jetzt und für die Zukunft für unsre schwer geprüfte Namamission besonders wertvoll sind. Br. Hegner trägt schwer an den Leiden in unsrer Namamission, liess sich durch viele Entäuschungen in derselben nicht irre machen, hat sie herzlich lieb und hofft und glaubt auch noch an Segen und Frucht in ihr. Das ist viel wert in dieser dunklen Zeit, wo die gerechten Gerichte Gottes über ein fast gänzlich unbussfertiges und verblendetes Volk wie ein schweres Gewitter dahin brausen. Deshalb wird uns das Verlassen unsers lieben Präses besonders schwer. Die Arbeiter gehen, aber der Herr bleibt.
Vor etwa 3 Wochen wurde hier eine Volkszählung abgehalten und zwar nur die Eingeborenen wurden gezählt von dem Polizeiamt. Da sie Tabelle Sie vielleicht interessieren dürfte, so teile ich sie hier mit wie folgt:

NamasBergdamrasBuschleuteBastards
MännerFrauenKinderZusammenMännerFrauenKinderZusammenMännerFrauenKinderZusammenMännerFrauenKinderZusammen
31967320021321781913407112745


Leider konnten nicht alle Eingeborene auf den Aussenplätzen gezählt werden, weil sie zum Teil zu weit auseinander wohnen, soll aber so bald als möglich nach geholt werden. Viele werden es, glaube ich, nicht sein. Sie sehen daraus auch, wie klein dieser Stamm geworden ist. Ein Blick auf die Zahlen lässt auch erkennen, wie manche Familie durch den Krieg zerrissen ist.
Am 24. März wurden 4 Frauen mit ihren Kindern hier auf dem Platze gefangen genommen. Unter ihnen war auch die Frau vom Cornelius Fredriks, die Tochter von Hendrik Witbooi in Gibeon. Einige Tage darauf wurden noch einige Frauen mit ihren Kindern von Aussenplätzen gefangen herein gebracht. Alle müssen zu Fuss nach Lüderitzbucht gehen und dort sollen sie auf einer Insel bleiben, bis der Krieg zu Ende ist. Weshalb nahm man sie den gefangen und führte sie ab nach Lüderitzbucht? Erstens weil ihre Männer bei den Aufständischen sind und zweitens weil man glaubte, dass diese Frauen Spionendienste besorgten. Wie weit das Letzte auf Wahrheit beruht, vermag ich nicht zu sagen, jedenfalls habe ich davon nichts merken können. Ich weiss aber, dass die Frauen und Kinder sehr um Mann und Vater trauerten, weil diese zum Teil schon über ein Jahr fort waren und zum Teil sie heimlich, ohne ein Wort zu sagen, verlassen hatten.
13. April. Leider ist unsre Situation seit einigen Tagen wieder eine unangenehmere geworden. Kurz nach dem deutschen Gottesdienst am 2. April (an jedem ersten Sonntag im Monat findet ein deutscher Gottesdienst statt, an Festtagen auch) kam ein Boer von dem Militärposten am Zuurberg, ungefähr 4 bis 5 Reitstunden nördlich von hier, mit der Meldung hier an, dass an jenem selben Tage ganz in der Nähe der besetzten Schanze (besetzt von Boeren) zwei Farmern 1800 Stück Kleinvieh und auch Grossvieh geraubt sei, dazu hätte der Feind, unter Führung von Cornelius Fredriks, den Proviant und die Munition der beiden Ansiedler mit fortgenommen. Einem der beiden Farmer hat man das Gewehr auf die Brust gehalten, indem man von ihm die Frau des anderen Weissen, eine Tochter des verstorbenen Bastardkapitäns Nicol. Zwart von Grootfontein, forderte. Dieselbe war aber geflohen und wurde nicht gefunden. Gott Lob blieb der Farmer unversehrt. Von alle dem hatten die Boeren nichts auf ihrem Posten gesehen und hörten erst dann davon, als geflüchtete Kinder ihnen Meldung brachten. Vielleicht haben sie geschlafen. Eine Patrouille von hier und /Umub, diesseits von Zuurberg gelegen, nahm der Räuberbande das Grossvieh wieder ab. Das Kleinvieh war aber schon über alle Berge und konnte nicht mehr abgenommen werden. Das Schlimmste kommt aber jetzt: Vormittags, den 8. April kam ein Reiter von der Patrouille Bandemann hier als Flüchtling an und brachte die traurige Meldung, dass diese Patrouille dieseits Wasserfall, ungefähr 1 ½ Stunde von hier auf dem Wege nach Berseba überfallen sei und zwar am vorigen Abend mit Sonnenuntergang. Gleich ritt Herr Hauptmann v. Rappard mit einer starken Patrouille nach der Ueberfallstelle und fand dort Leute. Bandemann und fünf von seinen Leuten tot liegen, einige von ihnen mit eingeschlagener Stirn. Drei vermisste Reiter fanden sich innerhalb zwei Tagen hier wieder ein. Der letzte wurde von einem eingeborenen Mann des Kapitäns Paul Fredriks in den Bergen gefunden und hierher gebracht, bekam dafür auch vom Herrn Hauptm. V. Rappard eine Belohnung von M. 40,00. Ein eingeborener Führer dieser verun- glückten Patrouille hat sich noch nicht eingefunden, aber Zeichen sollen darauf hindeuten, dass auch er verwundet ist, wenigstens hat man seine weisse Joppe mit Blut befleckt wie auch sein Pferd gefunden. Die 6 Leichen wurden am 11. dieses Monats auf dem neuen Kirchhof für Weisse, der am 15. März d. Jhr. eingeweiht wurde, (die ersten Gräber sind zweier am Typhus gestorbenen Soldaten), feierlichst beerdigt. In derselben Zeit als die Patrouille überfallen wurde oder am folgenden Tage, den 8. dieses Monats sind auch sämtliche Werften vom hiesigen Kapitän Paul Fredriks und seinen Leuten, die zwischen Gei-/aub und ≠Kari-/aub lagen, vielleicht eine kleine Stunde südlich von der Ueberfallstelle, vom Feind geraubt worden; Menschen und Vieh hat die Bande geraubt. Dort lag der Viehposten vom Kapitän Paul Fredriks und von verschiedenen Familien hierselbst. Dort lag auch die Schul- Gesellschafts- und meine Privatheerde. Alles ist fort geraubt. Ich habe nur einige Milchkühe hier beim Hause, sonst habe ich nichts mehr. Nicht einmal ist mir Schlachtvieh geblieben. Eine Liste von dem verlorenen Vieh der drei Heerden habe ich auf dem hiesigen Polizeiamt eingereicht.
Unter den geraubten Eingeborenen bei Gei- und ≠Kari-/aub sind auch einige Mütter mit ihren Kindern, wie auch andere Schulkinder, welche ihren Wohnsitz hier auf der Station haben, die nur lediglich vor einer Woche vor dem Ueberfall nach den Viehposten hinausgegangen waren um dort mehr Milch zu trinken, weil die hiesige Weide leider in diesem Jahr nicht gut ist und das junge Gras, welches nach dem letzten Regen so schön wuchs, von den Heuschreckenschwärmen an manchen Stellen gänzlich abgeweidet ist. So waren sie ahnungslos als sie am 7. oder 8. dieses Monats plötzlich von den Rebellen umzingelt wurden. Das hat wieder neues Weh in manche Familie hierselbst gebracht, aber auch manche Verbitterung gegen den Feind.
Geschwister Hegner und Schwester Holzapfel mit ihren Kindern sind noch eben heil durch gekommen. Würden sie 1 ½ Woche später den Weg von Berseba hierher gemacht haben, dann würden sie vielleicht auch Schweres erlebt haben. Cornelius Fredriks hat ansagen lassen: „Die 6 Wagen, womit Missionar Hegner zur Bai gefahren ist, gehören, wenn sie auf dem Rückwege sind, mit den Frachten mir!“ Ist das nicht bodenlose Frechheit? Zuurberg soll von ihm mit Spionen besetzt sein, sodass er mit Hülfe von geraubten Ferngläsern alles beobachten kann, was die hiesige Etappe hier und in der Umgegend vornimmt.
20. April. Vor Abgang dieser Post möchte ich noch eben einen kleinen Nachsatz hinzufügen. Gestern Abend empfing ich von dem Kapitän Christian Goliath in Berseba ein Telegramm, in welchem er mir mitteilt, dass am 17. dieses Monats ein Viehwächter 470 Stück Kleinvieh und 53 Stück Grossvieh von meiner Viehheerde auf Berseba gebracht habe und er das Vieh, sobald es wieder ruhig sei, hier nach Bethanien schicken wolle. Der hiesige Kapitän Paul Fredriks sagte mir heute, dass nach einem Gerücht Cornelius Fredriks mein Vieh und das der Gesellschaft und der Schule mit einigen Frauen alles gerne hier nach Bethanien geschickt hätte, aber dazu keine Möglichkeit gesehen habe. Von dem Grossvieh fehlt nicht mehr viel, aber von dem Kleinvieh der drei Heerden fehlt noch über die Hälfte. Ausserdem fehlen noch sechs Pferde. Da ich, wie es scheint, doch nicht bei Cornelius Fredriks so sehr auf der schwarzen Liste stehe, so kann es möglich sein, dass ich noch etwas mehr Vieh zurück erhalten werde.
Vorgestern kam hier eine Verstärkung von 56 Mann für die Etappe an. In den nächsten Tagen, vielleicht nach dem deutschen Gottesdienst am erstern Ostertage, soll eine stärkere Abteilung gegen den Feind hier in den Bergen nach Berseba zu vorgehen.
Gestern wurde ein Brief von der Frau des Cornelius Fredriks an ihren Mann von hier aus weiter befördert, in welchem sie ihren Mann wiederholt flehentlich bittet, doch mit dem Kriege aufzuhören und an seine Frau und Kinder zu denken und Erbarmen mit ihnen haben möchte. Wenn er ihre Bitte nicht erhöre, dann müssten sie vielleicht schrecklich darunter leiden. Wird diese Bitte vielleicht Cornelius Fredriks bewegen sein Tun zu ändern?
Hiermit möchte ich für heute schliessen mit den herzlichsten Grüssen und der Bitte: unserer und unsrer schwer heimgesuchten Namamission fürbittend gedenken zu wollen. Euer dankbarer Sendbote F. Heinrichs