13.12.1895 Bericht Friedrich Heinrichs

Bethanien, den 13. Dez. 95
Lieber Herr Inspektor Dr. A. Schreiber!
Ihr wertes Schreiben vom 18. VII. dieses Jahres habe ich dankbar erhalten. Es freute mich sehr, daß Sie meiner so fleißig gedenken in der Einsamkeit. Dies ist mir ja und dann ganz besonders empfindlich. Ich hatte kürzlich eine junge Frau, die schon ein ganzes Jahr schwindsüchtig war, kurz vor ihrem Ende bei Tag und Nacht zu behüten. Es waren ungefähr 3 Wochen wo sie sehr viel zu leiden hatte. In den letzten 3 Nächten wurde ich kaum frei, weil sie sehr heftig innere Anfechtungen durchzukämpfen hatte. 1 1/2 Tag vor ihrem Scheiden teilte sie mir mit, daß sie verloren gehe. Satan habe sie in seinen Händen. Trotz Trost und Gebeten vermochte ich sie nicht zu trösten. In der darauf folgenden Nacht etwa 1 Uhr wurde ich wieder vom Ältesten gerufen und fand sie wieder sehr unruhig. Sie wußte nichts anderes zu sagen als: „ich gehe verloren, verloren! Jesus will mich nicht und hat mich verlassen!“ Ich frug sie schließlich, ob wir zusammen beten sollen? Sie antwortete: „igore tite!“ d.h. nein, nicht beten! worauf ich ihr antwortete, daß ich darüber sehr betrübt sei, wolle es auch unterlassen, d0ch werde ich u Hause für sie beten um Licht von Oben und Frieden für ihr Herz. Darauf ging ich wieder nach Hause. Als ich die Thüre von meinem Hause öffnete, war es mir als begegnete ich einer häßlichen Gestalt, die mir zurief: „Du schlechter Mensch was willst du?“ Diese Stimme konnte ich nicht los werden, in welchem Zimmer ich auch war. Ich bat den Herrn um Beistand und ging dann wieder zur Ruhe. Der Schlaf wollte nicht kommen und lag noch über eine Stunde wach in großer Angst. Endlich wurde ich wieder ruhig und konnte nun noch eine kurze Pause schlafen, dann wurde ich abermals gerufen. Diesmal fanden wir die Kranke nicht im Schlummer, aber schrecklich war das Bild, was wir dann sahen. Mit Zähnen knirschte sie entsetzlich, die Zunge streckte sie weit aus ihrem Munde, das Gesicht sehr entstellt und mit ihren glühenden, offenen Augen starrte sie uns an, als wollte sie uns vergehen. Der Älteste frug mich: „Was ist das?“ Ich antwortete ihm, daß ist der Satan, der die Seele mit Gewalt auch in den letzten Stunden ihres Lebens rauben will. Hier sehen wir, wie schrecklich es ist in der Hölle zu sein, wo Heulen und Zähneklappern sein wird. Wenn sie wach wurde sprachen wir mit ihr von der Kraft des Heilandes, der sie auch erlösen könne auch von diesen Qualen. Diesmal weigerte sie das Beten nicht, sondern bat uns, daß wir sie darum frugen, inniglich doch mit ihr zu beten. Sie bat weiter um Verzeihung, daß sie das vorige mal zu gesagt habe: “ igone tite! die größte Angst und Dunkelheit war nicht mehr und langsam wurde es von nun an heller in ihrer Seele. Nachdem der Mittag kam, konnte sie wieder fröhlich uns rufen: „Nun weiß ich, daß ich dennoch selig werde und der Herr mich in Gnaden angenommen, hat. Gegen 3 Uhr Nachmittags durfte sie ohne Kampf in Frieden hingehen.
Jene unruhige Nacht werde ich nie vergessen und so erfährt man die Einsamkeit doppelt schwer. An den Festtagen möchte ich am liebsten zu den lieben Geschwistern Hegner gehen, da mir da das Fehlen der lieben Lydia nicht minder leicht sein wird. Deshalb ist es mir eine große Freude zu wissen, daß Sie meiner gedenken. Die vielerlei Arbeiten tragen Gott Lob auch viel mit dazu bei, das Kreuz leichter tragen zu können.
Sehr danke ich Ihnen für den Rat jetzt schon Mühe zu thun, um eine neue Braut zu suchen. Gerade wo Ihr Schreiben in meine Hände kam, hatte ich vor 2 Tagen einen Brief an Herr Pastor Platzhoff in Schwelm abgesandt, worin ich ihn bat mir dieser Sache behülflich sein zu wollen, wenn es ihm möglich wäre. Ich warte deshalb auf Antwort und werde Ihnen dann davon Mitteilung machen. Ich hoffe, daß dies mein Vorgehen Ihnen recht sein wird. Möchte der treue Herr aber mein Suchen erhören, daß die rechte Person gefunden wird.
Einzelne Bethanier frugen mich kürzlich: „wann kommt die neue Froue? Myn Heer muß nicht so lange warten. Die neue Froue muß aber gerade so gut sein wie die erste war.“ Möchte dieser Wunsch in Erfüllung gehen, Herr F. Gessert von hier schrieb mir, daß sein Pastor in Wiesbaden es nicht für thunlich halte, die 12.000 Mark für den Bau einer neuen Kirche hierselbst auf die Reichsanleihe zu thun, sondern wolle sie dem Herrn Inspektor Dr. A. Schreiber in Barmen übergeben solle wir unsere Zustimmung ist nun schon vor 14 Tagen von hier gegangen. Ich hoffe, daß Sie die 12.000 Mark verwalten werden wollen. und dieselben auf irgend eine Bank zu besorgen gewillig sind. Im Voraus meinen besten Dank und möchte gleichzeitig bitten, mir darin Mitteilung mach zu wollen. Die Colonial-Gesellschaft hat für den hiesigen Kirchenbau auch M. 1000 geschenkt. Doch ist ein Häkchen dabei: Herr Bruder Hermann hat vo 1 Jahr mit ddem hiesigen Kapitän einen Contract gemacht, daß über !Kubub und Itos nun weiter keine Unzufriedenheit in der Gemeinde sein solle und sie die beiden Ortschaften einstimmig als Eigentum der Colonial-Gesellschaft anerkennen möchten. Kapitän und 1 Richter haben ihre Unterschrfiten gemacht, die Übrigen nicht. Deshalb konnte bis heute die Sache noch nicht geregelt werden. Im Schlußsatz dieses Contractes heißt es, daß die Colonial-Gesellschaft eine Summe für den Bau einer Kirche hier schenken möchte. Eine Summe ist geschenkt und ist in der Bai zu haben, doch nur dann, wenn auch die übrigen Richter ihre Unterschrift unter den Contract setzen. Also bis heute kann ich noch nicht bestimmtes sagen über M. 1000.
Auf dem Schein:“Der Stand der Gemeinde Betahnien Ende des Jahres 1895″ ind unter Finanzielle Leistungen der Gemeinde für die Kirche M. 12085 angegeben. Die M. 85, welche über die M 12000 sind, sind durch Kirchencollecten in diesem Jahr gesammelt worden. Die Collecte würe mehr betragen haben, wenn stets Geld vorhanden wäre, aber da dieses nicht der Fall ist, so kommt nur ab und an etwas in die Kirchenbüchse.
Darf ich Sie bitten mir Aufschluß geben zu wollen, wohin die M. 300 von Coblenz sind, die seiner Zeit beim lieben Bruder Bam für die hiesige Kirche gesammelt sind? Sie sollten bei Herrn Ritter in Kapstadt sein. Herr Ritter teilte mir mit, daß er von den M. 300 nichts wisse. – Und die im vorigen Jahre in Coblenz gesammelten M. 400 für die hiesige Kirche sind wohl in Barmen?
Mit der Bitte Ihre liebe Frau Gemahlin nebst Kinder, sowie die Bewohner des Missionshaues grüßen zu wollen, verbleibe ich grüßend Ihr dankbarer Schüler F. Heinrichs.